Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
Vom Netzwerk:
Slantos verschwunden
     war, erklärt,
solange du noch Hoffnung hast, hast du noch eine Chance.
Und Hoffnung hatte ich, auch wenn sie nicht greifbarer war als die wechselnden Wolken.
    Meine Gedanken, unbeständig wie der Nebel, wandten sich Dagda zu. Die Aussicht, dem größten aller Geister gegenüberzutreten,
     machte mir große Angst. Ich rechnete damit, dass er mich wegen meiner vielen Fehler hart beurteilte, aber würde er auch seine
     Hilfe verweigern? Vielleicht störte die Rettung meiner Mutter irgendein empfindliches kosmisches Gleichgewicht, das nur er
     verstand. Vielleicht hatte er einfach keine Zeit, mich zu sehen. Vielleicht war er überhaupt nicht in seinem Reich, wenn ich
     ankam, sondern irgendwo weit weg, in dieser nebligen Welt oder einer anderen, wo er die Verbündeten von Rhita Gawr bekämpfte.
    Ich überlegte, wie ein so mächtiger Geist aussehen würde. Bestimmt konnte er wie Rhita Gawr jede Gestalt annehmen. An jenem
     Tag, an dem ich an die Küste von Gwynedd gespült worden war, hatte er sich in einen Hirsch verwandelt. Riesig, majestätisch,
     mit einem großartigen Geweih. Was mich am meisten beeindruckt hatte, waren seine Augen. Diese braunen, stillen Teiche waren
     mir so tief und geheimnisvoll vorgekommen wie der Ozean.
    Welche Gestalt er auch annehmen mochte, ich wusste, sie würde so stark und eindrucksvoll sein wie Dagda selbst. Vielleicht
     ein Hirsch in Menschengestalt. Wie hatte Rhita Gawr ihn genannt?
Der große und glorreiche Dagda. Krieger aller Krieger.
    Wie eine Wolke, die in eine Berghöhle weht, wurde mein Flug allmählich langsamer, bis er schließlich zum Stillstand kam. Dann,
     zunächst unmerklich, zerstreute sich der Nebel. Langsam, sehr langsam wurde er dünner und riss auf, teilte sich wie ein zarter
     Schleier. Allmählichkonnte ich hoch aufragende Umrisse hinter dem Schleier erkennen. Dunkel und dräuend schwebten sie vor mir.
    Plötzlich war der restliche Nebel verschwunden. Ich erkannte, dass die große Erscheinung ein riesiger, betauter Baum war.
     So groß und mächtig wie Arbassa stand er da, doch mit einem wesentlichen Unterschied.
    Der Baum stand umgekehrt. Seine massigen Wurzeln streckten sich empor und verschwanden in den verschlungenen Nebelschwaden.
     Sie schlangen sich majestätisch um die Wolken, als würden sie die ganze Welt dort oben umarmen. Von diesen emporstrebenden
     Wurzeln hingen zahllose, anmutig schwankende goldene Mistelzweige. Darunter, am Fuß des Stammes, streckten sich stämmige Äste
     über eine weite Ebene dampfenden Nebels. Und der ganze Baum, mit tausend und abertausend Tautropfen bedeckt, funkelte wie
     die Oberfläche eines tanzenden Bachs.
    So gefesselt war ich vom Anblick des Baums, dass ich einen Moment brauchte, bis ich erkannte, dass auch ich auf der nebligen
     Ebene stand. Mein Körper war zurückgekehrt! Rhia lag schlaff in meinen Armen, während Verdruss leise, glucksende Laute an
     meinem Ohr machte. Ein Mistelzweig wie jene, die über mir schaukelten, lag über meinen Schultern. Mein Schwert hing an meiner
     Seite, während der Stock immer noch unter meinem Gürtel stak.
    Ich schaute in die gelb umrandeten Augen des Falken. »Danke, mein Freund. Du hast mich wieder gerettet.«
    Verdruss stieß einen hohen, fast verlegenen Pfiff aus und schlug mit den grauen Flügeln.
    »Willkommen beim Baum der Seele.«
    Ich fuhr herum, um zu sehen, wer mit so schwacher, unsicherer Stimme gesprochen hatte. Es war ein gebrechlicher alter Mann,
     dessen rechter Arm nutzlos an seiner Seite hing. Obwohl er auf dem Nebelboden saß und sich an die Zweige lehnte, war er so
     klein und schmächtig, dass ich ihn zuvor überhaupt nicht bemerkt hatte. Sein Silberhaar schimmerte wie die taubedeckte Rinde
     um ihn herum.
    »Danke. Vielen Dank«, sagte ich steif, ich wollte mich nicht wieder zum Narren halten lassen. Doch weil mir nur so wenig Zeit
     blieb, musste ich zur Sache kommen. »Ich suche Dagda.«
    Verdruss kniff mich mit den Klauen in die Schulter und kreischte tadelnd.
    Der Alte lächelte milde, freundliche Falten zerknitterten sein Gesicht. Er legte den lahmen Arm in den Schoß und musterte
     mich eingehend.
    Plötzlich fielen mir seine Augen auf. Tiefe braune Teiche voller Mitgefühl, Weisheit und Trauer. Ich hatte sie schon einmal
     gesehen. Bei dem großen Hirsch.
    »Dagda.« Ich biss mir auf die Lippe und starrte den kleinen, gebrechlichen Mann an. »Es tut mir Leid, dass ich dich nicht
     erkannt habe.«
    Das Lächeln des Alten

Weitere Kostenlose Bücher