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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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schwand. »Du hast mich erkannt, rechtzeitig. Genau wie du rechtzeitig die wahre Quelle meiner Kraft
     erkennen wirst. Oder kennst du sie schon?«
    Ich zögerte, unsicher, wie ich antworten sollte. »Ich fürchte, ich weiß nichts über die wahre Quelle deiner Kraft. Aber ich
     glaube, dass du sie nutzt, um Geschöpfen dabei zu helfen, ihren eigenen Weg zu gehen, wie er auchsein mag. Deshalb hast du mir an jenem Tag geholfen, als ich an Land gespült wurde.«
    »Sehr gut, Merlin, sehr gut.« Seine braunen Augen funkelten zufrieden – und ein wenig ärgerlich. »Selbst wenn du versucht
     hast einen der sieben Schritte auszulassen.«
    Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern.
    Er schaute mich an, als könnte er in den tiefsten Grund meines Herzens sehen. »Du trägst eine große Last, noch dazu die Freundin
     in deinen Armen. Hier. Leg sie neben mich.«
    »Kannst du – kannst du ihr helfen?«
    »Wir werden sehen.« Er runzelte noch mehr die Stirn, die schon von Falten durchzogen war. »Erzähl mir von den Strophen, Merlin.
     Wo liegt die Seele von jeder?«
    »Und meine Mutter? Falls ihr noch Zeit bleibt, dann ist es nicht viel.«
    »Auch sie muss warten.«
    Ich bückte mich auf dem dunstigen Boden und legte den Körper meiner Schwester behutsam neben Dagda. Nebelschwaden fluteten
     über ihre Schultern und Brust und bedeckten sie wie eine dünne Decke. Dagda schaute tieftraurig auf sie nieder, dann sah er
     wieder mich an.
    »Zuerst zeig mir deinen Stock.«
    Verdruss schnalzte bewundernd, als ich den Stock aus dem Gürtel zog. Ich hielt Dagda den knorrigen Griff hin und drehte langsam
     den Stab. Alle Zeichen, tiefblau wie die Dämmerung, schimmerten vor uns. Der Schmetterling, Symbol der Verwandlung. Das Falkenpaar,
     im Flug verbunden. Der gesprungene Stein, der mich an den närrischen Einfall erinnerte, die Leuchtfliege einsperren zuwollen. Das Schwert, dessen Name ich gut kannte. Der Stern im Kreis, der das strahlende Lachen von Gwri mit den goldenen Haaren
     ins Gedächtnis rief. Der Drachenschwanz, der meine Zunge irgendwie an den Geschmack schmutzigen Leders erinnerte. Und schließlich
     das Auge, ganz anders als das von Balor, doch auf seine Art genauso furchtbar.
    Dagda nickte. »Ich sehe, du trägst jetzt ein Schwert.«
    Ich klopfte auf den Silbergriff.
    »Hüte es gut, denn es ist die Bestimmung dieses Schwerts, dir zu dienen, bis für dich die Zeit kommt, es in eine Scheide aus
     Stein zu legen. Dann geht es an einen Jungen über, der nicht älter ist als du jetzt. Ein Junge, zum König geboren, dessen
     Regierungszeit noch in den Herzen leben wird, wenn sie im Lande längst vergangen ist.«
    »Ich werde gut darauf aufpassen.«
    »Jetzt sag mir, mein Sohn – welche Melodien hast du in den sieben Strophen gehört? Beginne mit der ersten, Verändern.«
    Ich räusperte mich. »Ich lernte von einem Schmetterling – und von einem Bäumling, einer Verräterin, die ihren Fehler gesühnt
     hat   –, dass wir alle, sämtliche Lebewesen, die Fähigkeit haben, uns zu verändern.«
    Der Alte musterte mich aufmerksam. »Es ist kein Zufall, dass das deine erste Strophe war, Merlin. Ich glaube, du hast ihre
     Melodie schon zuvor gehört.«
    »Ja.« Ich schaute einen Moment in die betauten Zweige. »Ich verstehe jetzt, warum die Griechen dasselbe Wort für Schmetterling
     und Seele haben.«
    »Gut. Jetzt erzähle mir vom Verbinden.«
    Ich sah auf Rhias Gesicht hinunter, so bleich und still.»Die stärksten Bindungen sind die des Herzens. Ich lernte das von einem Falkenpaar, das zusammen flog.«
    Verdruss spazierte stolz mit gespreizten Flügeln über meine Schulter.
    »Und vielleicht von einem Schwindler?«
    Ich seufzte. »Auch das.«
    Ein Nebelfetzen schwebte über Dagdas linke Hand. Mit einer geschickten Fingerdrehung schlang er den Nebel zu einem Knoten.
     Dann nickte er nachdenklich und ließ ihn davontreiben.
    Sein Blick kehrte zu mir zurück. »Danach fandest du den Weg ins unterirdische Reich meiner alten Freundin Urnalda. Sie ist
     weiser, als sie scheint, das kann ich dir versichern! Zweifellos hat sie es genossen, deine Lehrerin sein zu können.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie sehr. Ich war ein ziemlich langsamer Schüler. Doch allmählich fand ich mit Hilfe
     einer Leuchtfliege die Seele dieser Strophe.«
    »Und die wäre?«
    Ich zeigte auf das Zeichen des zersprungenen Steins. »Am besten schützt man etwas, indem man es freilässt.«
    Dagda lehnte sich zurück und schaute

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