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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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mich auf den Weg durch
     die Ebenen, während die Harfensaiten auf meinem Rücken klirrten.

III
EIN WARMER WIND
    N ur mit den Sternen als Decke verbrachte ich diese Nacht zusammengerollt in einer Grube am Flussufer. Taufeuchte Binsen lagen
     unter meinem Kopf. Mit einer Hand konnte ich in das rauschende Wasser fassen, das über moosbedeckte Steine herabstürzte. In
     Reichweite der anderen lagen die blühende Harfe und mein Stock im Schilf.
    Ich hätte mich freuen müssen allein zu sein. Befreit von meinen so genannten Freunden. Doch es hatte mir kein Vergnügen gemacht,
     hier in die magischen Saiten zu greifen und den Fluss wieder zum Leben zu erwecken. Oder zuzuschauen, wie die Binsen und Moose
     aus der trockenen Erde schossen. Es hatte mich noch nicht einmal befriedigt, den Pegasus am Mitternachtshimmel zu sehen, obwohl
     er seit der Nacht, in der meine Mutter ihn mir zum ersten Mal gezeigt hatte, mein liebstes Sternbild gewesen war.
    Im unruhigen Schlaf dieser Nacht ritt ich nicht auf Pegasus’ geflügeltem Rücken wie so oft zuvor in meinen Träumen. Diesmal
     hatte ich einen ganz anderen Traum. Ich saß auf einem scharlachroten Stein und sah meiner Mutter entgegen. Meine Augen waren
     geheilt. Ich konnte wieder sehen. Wirklich sehen! Sonnenlicht glänzte auf Elens goldenem Haar und in ihren lebhaften blauen
     Augen funkelte ein anderes Licht. Ich konnte sogar den winzigen Hemlockstannenzweig in ihrer Hand erkennen.
    Dann entdeckte ich zu meinem Schrecken, dass meine Vorderzähne länger wurden. Viel länger. Sie wuchsen immer weiter und rollten
     sich auf wie die Hauer eines wilden Ebers. Die dolchscharfen Spitzen zielten direkt auf meine Augen! Während meine Zähne weiterwuchsen,
     floh ich in Panik. Ich schrie. Meine Mutter lief auf mich zu, doch ihre Hilfe kam zu spät. Ich fuhr mir mit den Fingernägeln
     ins Gesicht und versuchte mit der bloßen Hand die Zähne auszureißen. Es war unmöglich. Ich konnte sie nicht stoppen.
    Langsam, unerbittlich wuchsen die Zähne weiter, bis die Spitzen meine Augen erreichten. Meine eigenen Augen! In ein paar Sekunden
     würden sie durchbohrt sein. Ich spürte den Stich und stieß einen Schmerzensschrei aus. Ich war wieder blind, völlig blind.
    Ich erwachte.
    Neben mir rauschte der Fluss. Über mir flog Pegasus. Ich hob den Kopf von den Binsen. Es war nur ein Traum. Warum hämmerte
     mein Herz dann immer noch? Vorsichtig berührte ich meine Wangen, die Narben von dem Feuer, das mich im wirklichen Leben geblendet
     hatte. Sie schmerzten fürchterlich von den neuen Kratzern, die ich ihnen gerade zugefügt hatte. Doch mein Herz schmerzte noch
     mehr. Das alles von einem Feuer, das mein eigenes Werk war! Dass ich meine Augen verloren hatte, war schlimm genug. Aber noch
     schlimmer war, dass ich mir das selbst zuzuschreiben hatte. Zum ersten Mal seit Monaten fragte ich mich, ob Dinatius, der
     andere Junge, der Opfer meines Feuers geworden war, überlebt hatte. Ich konnte immer noch seine qualvollen Schreie, sein ängstliches
     Gewimmer hören.
    Ich drückte das Gesicht in die Binsen und weinte. Wie der Fluss strömten meine Tränen. Allmählich ließ mein Schluchzen nach.
     Doch das Geräusch schien anzuhalten, es kam offenbar von irgendwo jenseits des rauschenden Flusses. Ich hob den Kopf und horchte.
    Immer noch Schluchzen, unterbrochen von anhaltendem tiefen Stöhnen. Ich tupfte meine nassen, schmerzenden Wangen mit dem Ärmel
     meiner Tunika ab und kroch näher ans Wasser. Trotz der Dunkelheit folgte mein zweites Gesicht dem Flusslauf bis in einige
     Entfernung. Doch ich konnte nicht feststellen, woher die unglücklichen Laute kamen. Vielleicht waren sie nur ein Echo in meiner
     Erinnerung.
    Ich beugte mich über das strömende Wasser und tastete zwischen den Binsen herum. Meine Knie rutschten am schlammigen Ufer
     aus, so dass ich fast im Wasser landete. Ich suchte weiter, fand aber nichts. Überhaupt nichts. Und doch schien das Schluchzen
     und Stöhnen aus nächster Nähe zu kommen, fast aus dem Fluss.
    Aus dem Fluss.
Das war es! Aber wie konnte das sein?
    Ich wollte die Linke ins Wasser tauchen, doch dann hielt ich inne. Der alte Schmerz brannte zwischen meinen Schulterblättern.
     Vielleicht war es irgendein Trick? Eine von Fincayras verborgenen Gefahren wie die Wechselgeister, die gerade lange genug
     eine Vertrauen erweckende Gestalt annahmen, um einen in den Tod zu locken? Rhia würde das wissen. Aber Rhia, erinnerte ich
     mich bitter, war nicht mehr bei

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