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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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mir.
    Das Stöhnen nahm wieder zu. Sternenlicht funkelte auf der dunklen Oberfläche des Flusses und verwandelte ihn in einen Kristallstrom.
     Ich biss mir auf die Lippe,während ich die Hand ins Wasser steckte. Eine kalte Welle spülte über Handgelenk und Unterarm. Meine Haut wurde gefühllos
     vor Schreck. Dann berührten meine Finger etwas. Es war glatt. Rund. Weicher als Stein. Ich tastete, bis ich den schlüpfrigen
     Gegenstand im Griff hatte, fasste ihn und zog ihn aus dem Wasser. Es war eine Flasche, nicht viel größer als meine Faust,
     aus einer schweren Blase gemacht. Die lederne Verschlusskappe war mit einer dicken Wachsschicht versiegelt. Die tropfende
     Flasche, von Luft aufgebläht, schimmerte dunkel.
    Ich drückte sie. Ein lauter Klageschrei drang an mein Ohr, gefolgt von herzzerreißenden Schluchzern. Mit dem Ende meines Stocks
     entfernte ich den Wachsring. Er löste sich nur allmählich, als zögerte er seinen Griff zu lockern. Schließlich fiel er ab.
     Ich riss den Verschluss auf. Ein Windstoß traf meine Wangen. Er fühlte sich warm und angenehm an und duftete leicht nach Zimt.
     Während die Flasche zusammenfiel, wehte der Luftschwall über mein Gesicht und Haar wie lebendiger Atem.
    »Danke, Person, danke«, zirpte eine dünne kleine Stimme hinter meinem Kopf.
    Ich ließ die Flasche fallen und fuhr herum. Aber ich sah nichts zwischen mir und den Sternen am Himmel.
    »Oder sollte ich sagen«, flüsterte die Stimme, »danke, Emrys Merlin?«
    Mir stockte der Atem. »Woher kennst du meine Namen?«
    »Oh ja«, hauchte die Stimme, »ich mag Merlin viel mehr als den verstaubten alten Emrys.«
    Ich griff in die Nachtluft hinauf. »Woher weißt du so viel? Wer bist du? Und wo bist du?«
    Ein leises, wie geflüstertes Lachen stieg aus der Luft vor mir. »Ich bin Aylah, ein Wishlahaylagon.« Wieder das Lachen. »Aber
     die meisten nennen mich einfach eine Windschwester.«
    »Aylah«, wiederholte ich. »Windschwester.« Wieder griff ich hoch und diesmal fuhren meine Fingerspitzen durch einen warmen
     Luftstrom. »Jetzt sag mir, wieso du so viel weißt.«
    Der Zimtgeruch wurde stärker. Warme Luft strich langsam um mich und ließ meine Tunika flattern. Ich hatte das Gefühl, von
     einem wirbelnden Windkreis umarmt zu werden.
    »Ich weiß so viel wie die Luft, Emrys Merlin. Denn ich fliege schnell und weit ohne zu schlafen, ohne anzuhalten.«
    Aylahs unsichtbarer Mantel kreiste weiter langsam um mich herum. »Das ist es, was eine Windschwester tut, Emrys Merlin.« Sie
     schluchzte leise. »Falls sie nicht eingefangen wird wie ich.«
    »Wer würde so etwas tun?«
    »Jemand Böses, Emrys Merlin.« Die warme Luft wirbelte fort und ließ mich mit einem plötzlichen Frösteln zurück.
    »Sag es mir.«
    »Jemand Böses, oh ja«, flüsterte Aylah am Ufer, wo ich geschlafen hatte. »Sie hat viele Namen, aber die meisten kennen sie
     als Domnu.«
    Ich schauderte, doch nicht von der Nachtluft. »Ich kenne Domnu. Ich kenne ihre Hinterlist. Aber ich würde sie nicht gerade
     böse nennen.«
    »Bestimmt ist sie nicht gut, Emrys Merlin.«
    »Sie ist weder gut noch böse. Sie
ist
einfach. Ein wenig wie das Schicksal.«
    »Dunkles Geschick, meinst du.« Aylahs Brise blies über die Harfensaiten, die leise summten. »Sie gehört zu den wenigen, die
     alt und mächtig genug sind den Wind zu fangen. Ich weiß nicht warum, Emrys Merlin, ich weiß nur, dass sie mich in dieser Flasche
     eingeschlossen und weggeworfen hat.«
    »Das tut mir Leid für dich.«
    Ein lauer Luftzug streichelte meine Wange. »Ich glaube, wenn du mir heute Nacht nicht geholfen hättest, Emrys Merlin, wäre
     ich gestorben.«
    Auch ich flüsterte. »Kann der Wind wirklich sterben?«
    »Oh ja, Emrys Merlin, das kann er.« Wieder liebkoste sie meine Wange. »Der Wind kann wie ein Mensch an Einsamkeit sterben.«
    »Jetzt bist du nicht allein.«
    »Du auch nicht, Emrys Merlin. Du auch nicht.«

IV
SCHÄTZE
    W ieder spielte ich mit Begeisterung die Harfe. Dieses Hochgefühl hatte ich nicht mehr gespürt, seit die dunklen Hügel hinter
     mir lagen. Während ich über die welligen Flächen der verdorrten Ebenen ging, schien das Land schon in neues Leben auszubrechen,
     bevor ich noch anhielt und das Eicheninstrument zupfte. Die trockensten Gräser neigten sich vor mir, leblose Blätter lösten
     sich vom Boden, wirbelten und tanzten im Kreis um meine Füße. Denn Aylah war bei mir. Ihre sanfte Brise streifte meine Arme
     und ihr leises Lachen erklang jedes Mal,

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