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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Rhia griff nach Cwens dünnem Arm. »Es sind nur noch ein paar Hundert Schritte bis zu meinem Haus.«
    Das ermunterte mich. »Wirklich?«
    »Ja. Du bist dort willkommen, vorausgesetzt, dieser Vogel macht uns nicht zu viel . . .«
    »Verdrusss«, schloss Cwen.

XVI
ARBASSAS TÜR 
    W ährend Rhia uns aus dem tiefen Wald zu einer nahen Lichtung führte, bemerkte ich, dass sich der Nachthimmel plötzlich aufgehellt
     hatte. Dann, als das Geflecht der Äste hinter uns lag, fragte ich mich, ob vielleicht ein Stern über uns explodierte und sein
     Licht über den Himmel goss. Doch dann wurde mir klar, dass das Licht weder von einem Stern noch überhaupt vom Himmel kam.
    Es kam von Rhias Haus. Mitten auf der Lichtung stand eine große Eiche, der mächtigste Baum, den ich je gesehen hatte. Seine
     robusten Äste wuchsen aus einem Stamm, der so dick war, als hätten sich mehrere Stämme vereinigt. In der Mitte der nach außen
     und oben strebenden Äste leuchtete eine luftige Hütte wie eine Riesenfackel, ihre Strahlen und Wände und Fenster waren mit
     den Zweigen verflochten. Blätterschichten bedeckten das Baumhaus, so dass das Licht aus seinen Fenstern durch vielfältige
     grüne Vorhänge fiel.
    »Arbassa.« Rhia hob die Arme, als sie den Namen aussprach.
    Als Antwort zitterten die Zweige über ihrem Kopf gerade so viel, dass ein leichter Tauregen auf ihr erhobenes Gesicht fiel.
    Ich hatte wieder ein warmes Gefühl in der Brust, als ich zusah, wie Rhia sich dem Fuß des Baumes näherte. Siezog ihre leichten Schuhe aus, die offenbar aus einer lederartigen Rinde gemacht waren, und trat in eine schalenförmige Vertiefung
     der dicken Wurzeln. Während sie einen leisen, zischenden Satz sprach, schloss sich die Wurzel langsam um ihre Füße, bis sie
     und der Baum wie ein Wesen zusammengehörten. Rhia streckte die Arme aus und umarmte den mächtigen Stamm, obwohl sie nur ein
     winziges Stück umfassen konnte. Zugleich entrollte sich ein riesiger Ast wie ein Farnwedel und wickelte sich als Antwort auf
     die Umarmung um ihren Rücken.
    Ein paar Sekunden später hob sich der Ast und die Wurzel teilte sich. Knarrend knickte der Stamm, riss auf und gab einen schmalen
     Gang frei. Rhia duckte sich und trat ein. Cwen ging steif zu ihr und schlüpfte neben sie.
    »Komm.« Rhia winkte mir.
    Als ich zu der Öffnung trat, schauderte der Baum. Der Eingang mit seinen Rindenkanten begann sich zu schließen. Rhia schrie
     einen durchdringenden Befehl, doch der Baum ignorierte sie und versperrte sich weiter. Ich rief nach ihr, während Verdruss
     erregt mit den Flügeln flatterte. Trotz Rhias Protest schloss sich die Tür.
    Hilflos stand ich vor dem Baum. Ich wusste weder, was das zu bedeuten hatte, noch was ich dagegen tun konnte. Aber eins war
     klar. Ich war zurückgewiesen worden – zweifellos wegen des lästigen Vogels auf meiner Schulter.
    In diesem Moment knackte der Stamm erneut. Die Tür ging wieder auf. Rhia, das Gesicht vom Schreien gerötet, winkte mir. Mit
     einem unsicheren Blick auf den nervösen Vogel betrat ich die dunkle Höhle.
    Rhia sagte nichts. Sie drehte sich um und stieg die Wendeltreppe im Stamm hinauf. Ich folgte ihr und hoffte, dass Verdruss
     jetzt seinem Namen keine Ehre machte.
    Die knorrigen Stufen wuchsen direkt aus den inneren Wänden des Stamms und die ganze Treppe roch so würzig und feucht wie eine
     Lichtung nach dem Regen. Weiter oben wurden die Stufen schmäler und gaben den Blick auf eine verschlungene eingemeißelte Schrift
     frei, die sich über die Innenwände zog. Tausende Zeilen dieser engen Schrift bedeckten den Treppenschacht, wunderschön und
     unentzifferbar. Ich hätte sie gern gelesen. Endlich erreichten wir eine offene Plattform. Rhia stieß einen Blättervorhang
     zur Seite und betrat ihr Haus. Ich ging direkt hinter ihr, obwohl Verdruss wütend nach den Blättern schlug, die an seine Federn
     streiften.
    Ich stand auf einem Boden aus eng verflochtenen Zweigen, robust, aber uneben. Ein Feuer brannte mitten im Raum so hell, dass
     ich mich fragte, welcher Brennstoff hier wohl benutzt wurde. Die Äste des großen Baums bogen sich rundum, obwohl sie hier
     nicht so eng verschlungen waren wie am Boden, so dass sich nach allen Seiten Fensterschlitze öffneten.
    Jedes Möbelstück in diesem Einraumhaus wuchs so selbstverständlich aus den Ästen wie die Äste aus dem Stamm. Ein niederer
     Tisch an der Feuerstelle, zwei einfache Stühle, ein Schrank aus geschnitztem, mit Bienenwachs behandeltem

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