Merlin - Wie alles begann
beschützen. Aber zum ersten Mal habe ich diesen besorgten Ton in seiner Stimme gehört.«
Ich rümpfte die Nase. »Die große Elusa tut mir Leid, wenn sie versuchen sollte Verdruss zu fressen. Dieser Vogel weiß nicht,
was Angst ist.«
»Deshalb macht es mich unruhig, wenn er so besorgt klingt.«
Sie wandte sich dem Sumpf zu, trat auf einen Fleck getrockneten Schlamm und sprang von da auf einen Stein. Als ich ihr folgte,
sah ich, dass wir unsere Fußabdrücke im Schlamm hinterlassen hatten, aber die Spuren machten mir keine Sorgen. Wir waren schon
so tief im Wald, dass es darauf nicht ankam.
Wie sprangen von Stein zu Stamm zu Stein und arbeiteten uns langsam über den Sumpf. Aststümpfe griffen mit langen, verwitterten
Armen nach uns. Seltsame Stimmen,die nicht nach Vögeln oder Fröschen klangen, hallten über das faulige Wasser und schlossen sich den gelegentlichen Pfiffen
von Verdruss an. Während wir uns bemühten an den seichteren Stellen zu bleiben, schien manchmal etwas auf die Wasseroberfläche
zu klatschen oder die dunklen Tiefen aufzurühren. Ich konnte nicht erkennen, was diese Bewegungen verursachte, und wollte
es eigentlich auch nicht wissen.
Schließlich lag der Sumpf hinter uns, während grauer Nebel in die Luft drängte. Wir kamen an eine nasse Wiese, die allmählich
in festen Boden überging. Vor uns lag ein steiler, mit Steinen übersäter Hügel, wo dunstige Arme sich uns entgegenstreckten.
Rhia blieb stehen. »Die umnebelten Hügel. Wenn ich nur ein paar süße Beeren finden würde! Wir könnten eine Extradosis Kraftnahrung
für den Aufstieg brauchen.« Unsicher schaute sie mich an. »Und für das, was vor uns liegt.«
Als wir hinaufstiegen, flog Verdruss von meiner Schulter. Schweigend beschrieb er langsame, majestätische Kreise über unseren
Köpfen in der Luft. Obwohl ich annahm, dass er den Wald nach Anzeichen von Gefahr absuchte, schien er gleichzeitig die Freiheit
des Höhenflugs zu genießen.
Hier und da lagen unter den Bäumen Steinbrocken, so hoch wie Rhias Haus. Die Bäume selbst wuchsen in immer größeren Abständen,
ihre knorrigen Wurzeln klammerten sich an den Hang. Doch trotz der größeren Entfernung zwischen den Stämmen wirkte der Wald
nicht heller. Vielleicht lag das an den Schatten der riesigen Steine. Oder an dem dicken Nebel, der sie umgab. Oder ansonst etwas. Jedenfalls schien der Wald immer undurchdringlicher zu werden.
Während wir den steilen Hang hinaufkletterten, bedrängten mich Zweifel, so dicht wie der Nebel. Wer immer diese große Elusa
war, sie hatte sich für diesen Wohnort bestimmt nicht entschieden, weil sie gern Gäste empfing. Und wenn die Goblins im Wald
uns zuerst fanden? Ich umklammerte den Galator unter meiner Tunika, aber das half nichts.
Plötzlich ragte direkt vor mir ein großer grauer Fels auf. Ich erstarrte. Vielleicht war es nur ein Trick des Nebels, der
mein zweites Gesicht verwirrte. Aber der Fels sah mehr wie ein Gesicht aus, rau und geheimnisvoll. Ein Gesicht, das mich direkt
anstarrte. Dann hörte ich ein knirschendes Geräusch, fast wie ein Räuspern, oder glaubte es zu hören. Der Fels schien leicht
das Gewicht zu verlagern.
Ich wartete nicht ab, was als Nächstes geschah. Ich raste den Hang hinauf und stolperte dabei über Wurzeln, Steine und meine
eigenen Füße.
Endlich war ich oben. Über meinem Keuchen hörte ich ein wütendes Summen. Bienen. Tausende Bienen schwärmten um den zerbrochenen
Stamm eines toten Baums. Obwohl im Nebel nichts eindeutig aussah, schien es, als wäre der Baum vor nicht langer Zeit geborsten,
vielleicht in einem Sturm. Den Bienen gefiel das offenbar gar nicht.
Rhia hatte die Hände in die Hüften gestemmt und beobachtete interessiert das wütende Summen.
Ich las ihre Gedanken und schüttelte den Kopf. »Du hast doch nicht vor«, keuchte ich, »dir von ihrem Honig zu nehmen . . .
oder?«
Sie grinste verlegen. »Man kann nie genug Honig kriegen! Es dauert nur eine Minute, welchen zu holen. Das hält uns nicht auf.«
»Das kannst du nicht machen! Schau dir all diese Bienen an!«
In diesem Moment stieß Verdruss herab und drehte eine letzte kleine Runde, bevor er auf meiner Schulter landete. Dieser Vogel
flog offenbar leidenschaftlich gern! Als er es sich bequem machte, tschirpte er zufrieden. Ich war überrascht, wie vertraut,
fast natürlich es mir vorkam, ihn auf der Schulter zu tragen. So anders als gestern! Er faltete die gestreiften Flügel auf
Weitere Kostenlose Bücher