Merlins Drache 03 - Die Schlacht der endlosen Feuer
sich den Mund am Ärmel seiner Tunika ab. Vielleicht half dieser schlechte Geschmack der Ranke beim Überleben? Zwar wäre er nie versucht, noch einen Bissen von ihr zu kosten, doch er musste zugeben, dass die Pflanze seinen Respekt verdiente.
Gerade wollte er weitergehen, da warf er noch einen Blick auf die Stelle, auf die er gespuckt hatte. Zu seiner Überraschung schien sich der Sand zu bewegen und voller Aktivität zu sein. Er schaute genauer hin und sah den Grund für diese ganze Unruhe.
Affen! Goldene Äffchen, jeder kleiner als sein Daumennagel, hüpften durch den befeuchteten Sand. Sie kletterten übereinander, zogen einander an den Schwänzen und rollten über den Boden, während sie von den restlichen Tropfen Flüssigkeit tranken und sich damit bespritzten. Für sie war plötzlich ein See in der Wüste erschienen – groß genug für eine Feier.
|174| Verblüfft fuhr sich Krystallus mit der Hand durchs Haar. Miniaturaffen – was kam als Nächstes? Er legte die Hand ans Ohr und konnte jetzt das schwache Quietschen und Plappern dieser verspielten kleinen Geschöpfe hören. Wo hatten sie sich versteckt? Woher bekamen sie sonst in ihrem Leben Wasser? Wie viele andere Geschöpfe lebten ungesehen und unentdeckt in dieser Wüste?
Er griff nach seiner Flasche, bückte sich und schüttete mehrere Tropfen Wasser auf die Stelle, wo die Affen spielten. Mit Freudenschreien purzelten sie übereinander, planschten wild und tranken begierig von diesem köstlichen neuen Teil ihrer Landschaft.
Krystallus gab ihnen noch paar Tropfen, dann richtete er sich auf. Er schaute um sich und überlegte, um wie viel reicher dieser Ort war, als er zunächst angenommen hatte. Die Wüste enthielt eigene Berge, Wälder und Meere – voller Vielfalt, Feinheit und überraschenden Entdeckungen. Er hatte ein magisches Tor zu Orten gesehen, die er nicht ausloten konnte. Sehr kleine und sehr große Wellen. Eine große Düne. Eine zähe Pflanze, so gut getarnt, dass sie wie Sand aussah – und noch dazu wie Sand schmeckte. Eine Menge kleiner Äffchen, deren ausgelassenes Spiel seine Stimmung hob.
Und ich bin nur ein paar Schritte gegangen.
Er wandte sich wieder der Dunkelheit zu, die sich am Horizont blähte, und wanderte weiter. Jetzt waren seine Sinne ganz wach. Er betrachtete den Sand |175| ringsum, horchte auf den leisen Wind und schnupperte in der Luft nach fremden Düften. Während ihm diese Reise immer noch unheimlich erschien, spürte er zugleich etwas Vertrautes – die Erregung beim Erforschen des Fremden.
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Entdeckungen
Woher kommt es, dass uns retten kann, was wir wissen, aber töten, was wir nicht wissen?
S tunden später näherte sich Krystallus dem verhexten Moor. Der goldene Glanz des Sternenuntergangs erleuchtete den Himmel, schickte Strahlenbänder darüber und signalisierte den Beginn der Nacht. Doch der Forschungsreisende bemerkte es kaum, denn seine Gedanken waren ganz mit dem beschäftigt, was er auf seiner Wanderung durch die Wüste gesehen hatte.
Er blieb stehen und lehnte sich an eine alte Ulme, die es geschafft hatte, sich in einem Steinhaufen unter einer kleinen Düne zu verwurzeln. Unter den krummen Ulmenästen, die jetzt vom Himmelslicht vergoldet waren, setzte er sich. Nachdem er sich zwischen zwei knorrigen Wurzeln durchgequetscht hatte, zog er seine Taschenflasche heraus und trank dankbar einen Schluck Wasser. Dann öffnete er sein Notizbuch.
Auf einer Seite, die vom Licht des Sternenuntergangs |177| beschienen war, betrachtete er seine lange Liste der Entdeckungen von diesem Tag. Kroneneidechsen in fünf verschiedenen Farben hatte er gesehen, eine riesige Wüstenschlange (die zum Glück eine ferne Düne hinaufglitt), einen strahlend roten Schmetterling, einen Steinbock mit drei Hörnern, der direkt über seinen Kopf gesprungen war, und eine Familie von Gnomen, die Sand aßen – insgesamt siebenundzwanzig neue Arten von Geschöpfen. Und dabei war noch nicht einmal der leuchtende Sandwirbel berücksichtigt, der sich auf ihn zugedreht und angehalten hatte, als wollte er ihn genauer betrachten, bevor er in die entgegengesetzte Richtung davonwirbelte. Es hätte ein seltsam verdichteter Sandstrom sein können, der von reflektiertem Licht leuchtete … oder etwas anderes.
Krystallus zeichnete schnell eine Skizze von dem geheimnisvollen Sandwirbel, dann schloss er das Notizbuch. Nach einem befriedigten Klaps auf den Umschlag steckte er es wieder in die Tasche seiner Tunika.
Was für ein Tag
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