Merlins Drache 03 - Die Schlacht der endlosen Feuer
beschäftigen, dass du sein Versteck nicht finden konntest.«
»Ja! Alle diese Schrecklichkeiten – die Gier und Arroganz, der Hass und das Töten – wären ebenfalls seine Nahrung. Seine Quelle der Macht.« Basilgarrad senkte die Stimme in ihre tiefste Lage. »Dieses Ungeheuer ist im direkten Verhältnis zu Avalons Elend stärker geworden.«
Marnya schauderte. »Wie grässlich! Da hat ihm sogar der Tod meines Vaters mehr Kraft gegeben.«
Als Basilgarrad ihre Flosse mit der Flügelspitze berührte, blies ein Windstoß über sie und bespritzte ihre Körper mit Sand. Ein einziges Sandkorn traf die Lippe des grünen Drachen, fiel zwischen seine Reihen schrecklicher Zähne und dann auf seine Zungenspitze. |163| Er zuckte zusammen und verdrehte die Ohren. Denn die unerwartete Berührung dieses winzigen Objekts erinnerte ihn an Dagdas Befehl vor langer Zeit, von jedem Reich ein einziges Sandkorn zu schlucken. Auch wenn er es schließlich geschafft und von allen Reichen Avalons einen kleinen Geschmack bekommen hatte, verstand er nie, warum. Egal wie viele Jahre vergangen waren, wie viele Meilen er geflogen war, der Sinn von Dagdas Aufgabe blieb so rätselhaft wie zuvor.
Er schaute hinauf in den sternenbedeckten Himmel und fragte sich, wo Dagda jetzt sein mochte. Und warum der große Geist in Avalons langen Jahren des Leidens und der Qualen nie selbst gekommen war, um allen Wahnsinn, alles Elend zu beenden. Sicher, er hatte die Vision eines großen Hirsches geschickt, der den Drachen daran erinnerte, diese Sandkörner zu schlucken. Doch dieser Hirsch war nur ein kleiner Teil des wirklichen Gottes Dagda, des mächtigen Führers im Geisterreich. Warum hatte er nicht einfach eingegriffen, genau wie Rhita Gawr es lange versucht hatte? Obwohl natürlich ihre Ziele nicht unterschiedlicher sein konnten. Rhita Gawr wollte diese Welt einnehmen und beherrschen, nicht vom Leiden retten.
Du hast deine Frage beantwortet, Basil.
Merlin griff hoch und berührte die Unterlippe des Drachen mit der Spitze seines Stabs. »Dagda«, sagte er laut, »respektiert unseren freien Willen, unsere Entscheidungskraft |164| – etwas, das Rhita Gawr völlig ignoriert. Für Dagda sind wir Irdische mit dem Recht, unser eigenes Schicksal zu entscheiden, für Rhita Gawr sind wir nur Hindernisse auf seinem Weg.«
»Trotzdem«, knurrte der Drache, »könnten wir gerade jetzt sicher seine Hilfe brauchen.«
»Das stimmt.« Merlin zog die buschigen Augenbrauen hoch und studierte die Sternbilder. Sein Blick wanderte von Pegasus zum krummen Baum und zu der Stelle, wo die sieben Sterne des Zauberstabs einst gestrahlt hatten. Er schaute auf diese Leere und runzelte die Stirn. Dann hielt er den Atem an.
»Basil, schau!« Er zeigte mit seinem Stab auf den schwarzen Riss am Himmel.
Basilgarrad und Marnya starrten beide auf den Fleck, ebenso der kleine Ganta, der auf der Schnauze seines Onkels saß. Wie der Magier hielten sie entsetzt die Luft an.
Sie sahen, wie sich aus der Mitte des verschwundenen Sternbilds ein dünner, sich windender, pechschwarzer Faden in die Tiefe streckte. Wie eine ungeheuerliche Schlange senkte er sich herunter und tastete nach seinem Ziel.
Avalon.
»Schnell!«, rief Merlin.»Wir müssen zum verhexten Moor.«
»Aber es ist noch nicht hell«, widersprach Marnya. »Du hast gesagt …«
»Vergiss, was ich gesagt habe! Wenn wir jetzt nicht |165| gehen, gibt es vielleicht nie mehr ein anderes Morgengrauen.«
»Stimmt.« Basilgarrad schlug seinen riesigen Schwanz auf den Sand, ohne auf die Körnerwolke rundum zu achten. »Zeit zu fliegen!«
|166| 18
Das verborgene Tor
Um eine neue Welt zu sehen, muss man nur die alte genauer betrachten.
A m Nachmittag bevor Basilgarrad und seine Gefährten bei der Sanddüne landeten, kam noch jemand in der gleichen Wüste an. Nur fünfzehn Meilen weiter östlich trat eine einsame Gestalt aus einer flammenden Pforte am Wüstenrand. Grünes Feuer knatterte um Krystallus herum, griff nach seiner Tunika, den Leggings und Stiefeln. Doch ohne einen Blick zur Seite schritt er aus den Flammen heraus, schließlich war er schon durch viele Pforten gegangen.
Seine Stiefel knirschten auf dem Sand. Dieses mahlende Geräusch allein hätte ihm als Bestätigung gereicht, dass er zu dem geplanten Ziel gekommen war. Und was er vor sich sah, war noch überzeugender. Seine Forscherblicke trafen bis zum Horizont nur auf Wüste – Sanddünen, Sandtäler und wirbelnde Sandstürme. Bis auf die schwachen
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