Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Meinungsverschiedenheit. Es ging um die Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz hätten. Moses beharrte auf einen einzigen, während Johannes der unerschütterlichen Meinung war, dass mindestens ...“
„Schon gut“, seufzte der junge Herr von Merode. „Bleibt zu hoffen, dass sie wenigstens den Gottesdienst ohne Streit über die Bühne kriegen.“
Rikalts Sorge war durchaus berechtigt. Mehrfach war der Pfarrer von Echtz versucht – seine zuckenden Lippen zeugten davon –, dem Burgkaplan ins Wort zu fallen. Offenbar missfiel dem Johannes das holprige Latein seines Bruders in Christo. Nur mit Mühe hielt er sich zurück. Als die beiden der Gemeinde schließlich den Schlusssegen erteilten, schien die Gefahr eines unfrommen Eklats gebannt. Beflissene Ministranten bauten den Altar ab, denn nun wurde der Dorfanger zum Festplatz. Aus der Stadt waren Gaukler und Musikanten eingetroffen; Lautenspiel und Gesang erklangen. Die ersten Paare begaben sich auf die Tanzfläche, die mitten auf dem Hahndorn aus hölzernen Planken errichtet worden war. Auch für die Unterhaltung der Kinder war gesorgt: Hinter einer kleinen Schaubühne lieferten sich bunt gekleidete Holzpuppen ein lustiges Spiel. Mit einem freudigen Jauchzer gesellte sich Maria zu den anderen kleinen Zuschauern.
„Die Kleine wäre also versorgt“, sagte Jutta und schaute mit glitzernden Augen zu ihrem Geliebten empor. „Was hältst du von einem kleinen Tanz?“
Mathäus ließ seinen Blick über die Tanzfläche wandern. „Weiß nicht. Eigentlich brauche ich meine Kräfte noch für ...“
„Keine Widerrede.“ Jutta zerrte ihn hinter sich her. „Deine Kräfte brauchst du vor allen Dingen für mich .“
Gab es einen größeren Liebesbeweis aus dem Mund der Geliebten als solcherlei Worte?
Sie fassten sich bei den Händen und schauten sich an. Nicht lange und sie waren verschmolzen im Takt der Musik. Und die Zeit schien plötzlich stillzustehen. Hätte Mathäus einen Wunsch freigehabt, er hätte sich gewünscht, dass dieser Augenblick niemals endete. Mit Jutta in der Ewigkeit verharren ...
Brutal riss die Fanfare ihn in die Gegenwart zurück. Abrupt beendeten die Spielleute ihre Musik. Ein Herold in Gestalt des Kastellans Friedrich erbat sich mit erhobenen Händen Gehör und kündigte den Beginn des Schießwettbewerbs an. Sogleich sah der Dorfherr an die hundert Augenpaare auf sich gerichtet. Nervös zupfte er an seiner Nasenspitze. „Wo ist bloß der Didi? Er wollte doch mein Knappe sein. Schnell, holt ihn mir her! Ich muss ...“
„Nur die Ruhe, Liebster.“ Jutta drückte sanft seine Hand und zeigte ihre strahlend weißen Zähne. Das reichte, um Mathäus tatsächlich ruhiger werden zu lassen.
Inzwischen war der junge Rikalt neben den Dorfherrn getreten. „Ich wünsche Euch alles Glück dieser Welt“, flüsterte er verstohlen.
„Das Glück dieser Welt, werter Rikalt, steht hier neben mir.“ Mathäus nahm Jutta in den Arm und schenkte dem Herrn von Merode ein seliges Lächeln.
Eine palavernde Menschenmenge strömte zum Turnierfeld, eine Wiese direkt vor den Mauern der Meroder Burg. Auch hier hatte man für das vornehmere Publikum eine kleine Tribüne aus Holz errichtet, während das gemeine Bauernvolk den Wettbewerb hinter hölzernen Schranken verfolgen würde. Eine Scheibe aus Holz, groß wie ein Wagenrad, deren Mitte mit roter Farbe markiert war, würde in der kommenden Stunde im Mittelpunkt des Interesses stehen; in etwa hundert Fuß Entfernung prangte sie am Stamm einer Linde.
Natürlich war der Dorfherr von Merode der einzige Herausforderer des Burgvogtes geblieben. Bis zuletzt hatte Mathäus gehofft, dass sich noch der eine oder andere Wagemutige finden würde, der sich am Wettbewerb beteiligte, hätte dies doch zumindest die geballte öffentliche Aufmerksamkeit ein wenig von ihm abgelenkt. Indes, niemand war so verrückt, eine sichere Niederlage in Kauf zu nehmen, da konnte Paulus dem Sieger noch so viele Silbergulden in Aussicht stellen. Mathäus war und blieb der einzige Trottel, der den Mund zu voll genommen hatte und nun seiner unausweichlichen Abreibung entgegensah. Dennoch hatte mit einem Male eine kühle Gelassenheit von ihm Besitz ergriffen. Sollte Paulus doch diesen vermaledeiten Wettbewerb gewinnen! In ein paar Monaten würde gewiss kein Mensch mehr davon sprechen. Es gab weiß Gott dringlichere Angelegenheiten, die einer Lösung bedurften.
Vor der Holztribüne, über deren Balustrade wappenbestickte Decken der Herren von
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