Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Merode hingen, hatten Paulus und Mathäus sich inzwischen eingefunden, begleitet von ihren Knappen, die so ernst dreinschauten, als stünde das Jüngste Gericht bevor. Auf einem Tisch lagen die Waffen der beiden Hauptfiguren des Spektakels bereit. Paulus bleckte grinsend die Zähne. „Ihr habt es Euch nicht anders überlegt, Herr Hüter der herrschaftlichen Ordnung?“
Mathäus hob gleichmütig seine Schultern und griff nach seinem Bogen, um prüfend die Sehne zu spannen. „Warum sollte ich?“
„Nun, das werdet Ihr gleich sehen!“
Abermals verlangte eine Fanfare die Aufmerksamkeit der Leute. Friedrich, der zugleich als Turniermarschall fungierte, trat vor und verkündete laut die Spielregeln: Abwechselnd sollten die Schützen jeweils fünf Pfeile abschießen. Sieger sei am Ende derjenige, dessen Pfeile am häufigsten in die Nähe der rot markierten Mitte der Zielscheibe gelangten. Mit einem Nicken in die Richtung der beiden Herren von Merode beendete der Kastellan seine Verkündigung und trat zurück. Konrad und der junge Rikalt erhoben sich von ihren Plätzen.
„Der Wettbewerb möge beginnen!“, rief Rikalt mit jugendlicher Stimme.
„Auf dass der Bessere gewinnen möge“, fügte Konrad hinzu. Es schien ihm Mühe zu bereiten, nicht laut aufzulachen.
Die Herren von Merode nahmen wieder Platz. Erwartungsfrohes Gemurmel unter den Zuschauern breitete sich aus. Paulus ließ seinen Blick gelangweilt durch die Menge schweifen.
„Wollt Ihr nicht beginnen?“, fragte Mathäus, seinen aufkeimenden Zorn über den Hochmut des Burgvogtes tapfer unterdrückend.
„Aber Herr Mathäus, ich bitte Euch. Ihr zuerst!“
„Wie Ihr wollt. – Didi! Einen Pfeil!“
Der Diener, der aufgeregter wirkte als der Dorfherr, reichte ihm mit zitternden Händen das gefiederte Geschoss.
„Didi! Mein wackerer Knappe! Warum so erregt? Es ist schließlich nicht unser Leben, das hier auf dem Spiel steht.“
„Schon gut, Herr.“ Mit mäßigem Erfolg versuchte er, Mathäus’ Lächeln zu erwidern.
„Wohlan denn“, seufzte der Dorfherr und spannte den Pfeil in die Sehne. Er trat hinter eine in den Boden gefurchte Markierung und visierte das Ziel an, bis der Schaft beinahe sein Ohr berührte. Das Gemurmel der Leute verstummte allmählich. Eine halbe Ewigkeit schien zu verstreichen.
Endlich schwirrte der Pfeil – und verlor sich in den Weiten der Wiese hinter der Linde. Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Zuschauer.
„Habt Ihr es etwa auf die Maulwürfe abgesehen?“, bemerkte Paulus kopfschüttelnd. Seine Stimme entbehrte nun jeglicher Häme, er schien beinahe erbost über den stümperhaften Schuss des Dorfherrn zu sein.
„Ach, wisst Ihr, Paulus: So mache ich es immer mit meinem ersten Schuss. Die Leute wollen ja was zu reden haben.“
„Da mögt Ihr recht haben. Doch wenn Ihr wirklich wollt, dass die Leute sich die Mäuler zerreißen, dann solltet Ihr sie nicht mit Belanglosigkeiten füttern. Passt jetzt gut auf!“ Er ließ sich Pfeil und Bogen reichen und wandte sich an die hohen Herrschaften auf der Tribüne.
„Oh! Ihr habt es doch hoffentlich nicht auf uns abgesehen“, jauchzte Konrad auf.
„Aber mitnichten, Herr, ganz im Gegenteil: Ich will meinen ersten Schuss Euch und Eurer reizenden Gemahlin widmen.“
„Wie gütig von Euch“, knirschte Elisabeth von Grafschaft, die den Burgvogt kaum weniger hasste als den jungen Vetter ihres Gatten. „Wir können es kaum erwarten, Euren Pfeil endlich fliegen zu sehen, Herr Paulus.“
„Dann, o Frau Elisabeth, will ich Euch nicht länger auf die Folter spannen.“ Er hob seinen Bogen. Zum Erstaunen aller machte er aber immer noch keine Anstalten, sich der Zielscheibe zuzuwenden. Er ließ Konrad und Elisabeth nicht einen Moment aus den Augen. Den Zuschauern stockte allmählich der Atem. Konrads zynisches Grinsen war inzwischen einem Ausdruck von Fassungslosigkeit gewichen.
Mathäus aber ließ sich nicht über die wirklichen Absichten des Burgvogtes täuschen. Aus schmalen Augen beobachtete er das Tun seines Gegners. Der hielt zwar seinen Bogen weiterhin gegen die Herrschaften der westlichen Burghälfte erhoben; freilich mit der Sehne voran. Mit einer weit ausholenden Bewegung spannte Paulus nun den Pfeil ein, so dass die Spitze des Geschosses auf seiner breiten Schulter zu liegen kam. Wer, außer ihm, hätte wohl so viel Kraft aufwenden können? Trotz seiner merkwürdigen Verrenkung wirkte der Burgvogt nun wie ein unheilverkündender Kriegsgott. Er warf einen kurzen Blick über die
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