Merry Christmas, Holly Wood
Couchtisch. Ganz, ganz toll, wirklich. Ich würde gern mehr von deinen Werken sehen. Du sagtest, dein Stil sei sonst ein anderer? Eher moderner?“
„Eher ausgefallener. Ich habe meinen ganz eigenen Stil. Ich nehme dich gerne später mal mit in meinen Ausstellungsraum – wenn du später noch da bist.“
„Ganz bestimmt“, sagte sie und wusste plötzlich, dass sie um nichts in der Welt den Moment verpassen wollte, wenn die Stadtbewohner dem alten Mr. Hendrix sein Häuschen übergaben. „Ich werde noch eine Weile bleiben. Wenn ich darf, natürlich, ich meine, wenn deine Mom nichts dagegen hat, mich noch ein, zwei Nächte länger zu beherbergen.“
„Ganz im Gegenteil, ich bin mir sicher, sie würde sich freuen. Und ich wäre auch ganz froh, wenn sie jemand anderen zum Bemuttern hätte, dann hätte ich vielleicht mal ein wenig Ruhe.“ Er lachte und sie wusste, dass er es nicht ernst meinte. „Aber morgen ist Heiligabend. Willst du denn nicht so schnell wie möglich nach Hause? Vorhin warst du doch noch so in Eile.“
Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? Eigentlich konnte sie es doch tun, oder? Sie würde ihn nach diesem Weihnachten eh nie wiedersehen.
„Mir wird so langsam klar, dass ich nicht mehr der Mensch bin, den sie kannten und bin nicht sehr scharf darauf zu erfahren, ob sie diesen neuen Menschen überhaupt mögen.“
„Sie sind deine Familie. Sie werden dich lieben, egal, wer du geworden bist. Was viel wichtiger ist, ist, ob du dich selber denn noch magst.“
Sie wusste nicht warum, doch Tränen stiegen ihr in die Augen. „Das weiß ich leider nicht. Manchmal ist alles gut und ich denke, ich bin glücklich mit meinem neuen Leben, an anderen Tagen denke ich, ich war nie unglücklicher und nie so allein. Ich frage mich in letzter Zeit oft, was nur aus mir geworden ist.“
Warum erzähle ich ihm das nur alles? Er hat sicher keinen sehr positiven Eindruck von mir.
Doch er sah sie nicht abfällig an, sie erkannte eher so etwas wie Mitleid in seinen Augen. „Dann solltest du das aber ganz schnell herausfinden. Das Leben ist zu kurz, um unglücklich zu sein.“
„Das sagst du so leicht. Es ist aber gar nicht so einfach, sich selbst zu finden und zu wissen, was einen wirklich glücklich macht. Ich meine, ich dachte, ich wüsste es, ich dachte, ich bräuchte nur eines zum Glücklichsein ...“
„Und das wäre?“
„Erfolg. Die Großstadt. Ich dachte, wenn ich dort bin, dann wäre ich angekommen, verstehst du, was ich meine?“
„Und? Ist es so? Bist du angekommen?“
„Nein, ich glaube nicht. Ich weiß es einfach nicht, im Moment weiß ich nicht einmal selbst, wer ich bin oder wer ich sein will, und ich weiß auch nicht, warum ich dir das alles erzähle. Ich kenne dich doch überhaupt nicht.“
„Aber ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist“, sagte er und sie fühlte einen inneren Schock. Wusste er es etwa? Wusste er genau Bescheid und hatte sie nur im Ungewissen gelassen?
Mit großen Augen sah sie ihn an. „Ach ja?“
Er kam jetzt auf sie zu. Gemeinsam und ganz nah standen sie im zukünftigen Wohnzimmer von Mr. Hendrix und er sah sie eindringlich an.
„Ja. Du bist ein Mädchen, das Träume hatte und das sich diese Träume auch erfüllt hat. Das jetzt aber aufgewacht ist und sich nicht sicher ist, ob es die richtigen Träume waren und ob es es wirklich wert gewesen ist, ihnen nachzujagen. Und ich denke, dieses Mädchen hat einfach nur große Angst davor, sich neue Träume zu suchen.“
„Warum hat es Angst davor?“, fragte Holly, nach Antworten suchend.
„Weil es sich davor fürchtet, neue Träume zu leben, und davor, am Ende wieder enttäuscht aufzuwachen, weil sie auch nicht die wahren waren. Aber ich kann dir nur eines sagen: Wer es nicht versucht, der hat schon verloren.“
Sie spürte eine nie gekannte Hitze in sich, die sie nur diesem Mann zu verdanken hatte, seinem unglaublichen Aussehen und seiner warmen, weisen Worte. Er wusste es nicht, kannte sie nicht, und doch war sie ihm wichtig genug, dass er ihr diese Dinge sagte. Sie trat einen Schritt zurück, weil sie merkte, wie sie rot anlief und weil sie sich kaum noch im Zaum halten konnte. Am liebsten wäre sie ihm jetzt um den Hals gefallen und hätte mit ihm mitten in Mr. Hendrix` Haus unanständige Sachen gemacht.
„Wow, das war wirklich tiefgründig“, sagte sie und spürte, wie ihre Stimme bebte. Was war nur mit ihr los? Sonst war sie doch auch nicht schüchtern dem männlichen Geschlecht
Weitere Kostenlose Bücher