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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Antwort geben.
Teil einer guten Behandlung war das Wissen, wann die Wahrheit nicht
erwünscht war.
    Anschließend sprach sie mit der diensthabenden Schwester.
»Viele Patientinnen glauben anscheinend, daß man ihnen
gestattet, den Embryo voll auszutragen.«
    »Ich weiß.«
    »Man sagt es ihnen nicht, stimmt’s?«
    »Nicht genau.«
    »Nicht genau?«
    Die diensthabende Schwester war eine ostentativ beschäftigte
Frau, die ihre Aufmerksamkeit stets auf etwas gerichtet hatte, das
gerade über Harriets Schulter hinweg dringend erledigt werden
mußte. »Unsere Patientinnen sind Freiwillige, Doktor. Sie
unterzeichnen eine Verzichtserklärung, aber nur wenige lesen
sie. Sie wollen lieber hoffen. Wir würden viele von ihnen
verlieren, wenn wir ihnen das nicht erlauben würden.«
    »Die Unehrlichkeit macht Ihnen nichts aus? Macht Ihren
Schwestern nichts aus?«
    »Sie richtet keinen Schaden an. Und es ist für eine gute
Sache.« Sie blickte auf ihre Uhr. »Und wenn Sie mich jetzt
entschuldigen wollen, Doktor…«
    Harriet ließ sie gehen. Es war jetzt nicht an der Zeit
für Diskussionen darüber, was besser war. Die Patientinnen
waren glücklich, die Krankenzimmer makellos, die Forschung
verlief reibungslos – was konnte sie da mehr verlangen?
Hildebrand, und vermutlich Fovas über ihm, hatten ein gutes
Gewissen. Harriet Ryder hatte das unangenehme Bedürfnis, ihre
Rechtschaffenheit wie ein Banner vor sich herzutragen. Wenn sie den
Job annahm und hier Veränderungen notwendig wären,
würde sie diese so unauffällig wie nötig
durchführen.
    Würde sie den Job annehmen? Von dem Augenblick an, da ihn
Fovas ihr angeboten hatte, hatte sie gewußt, daß sie ihn
annehmen würde. Er vergrößerte ihre praktische
Erfahrung und sähe gut in ihrem Lebenslauf aus. Auch würde
er ihr Denken befreien, weil er sie aus Unikhems bedrückendem
Laborforschungsprogramm herausbrächte. Sie könnte ihr Geld
annehmen, und es sich anständig verdienen, und gleichzeitig
ihren eigenen Ideen nachgehen.
    Welchen Ideen? Sie sprach sie nicht gern aus. Sie suchte nach
einem Virus. Sie war keine Virologin. Viren waren sowieso aus der
Mode gekommen, Retroviren ebenfalls, aber irgend etwas sagte ihr,
daß dort der Durchbruch zu erzielen wäre. Deshalb ihre
Arbeit an den WHO-Aufzeichnungen. Weise einen einzigen geographischen
Geburtsort für das Syndrom nach, und es gäbe viel
triftigere Gründe für ein Virus.
    Etwas war merkwürdig. Warum hatte Professor Fovas, die ihr
heikles Gewissen kannte, sie nicht vor der jämmerlichen
Selbsttäuschung der Freiwilligen gewarnt? Zunächst die
Sache mit dem Fernsehen, und dann das hier. Vielleicht wurde sie
getestet. Vielleicht wollte Unikhem sie loswerden, getraute sich aber
nicht, sie zu feuern, und hoffte darauf, daß sie von alleine
ginge. Sie würde sie enttäuschen.
    Nach einem Schwatz mit Professor Fovas ging sie früh nach
Hause. Sie hatte gute und schlechte Neuigkeiten für Liese. Es
würde beträchtlich mehr Geld geben, aber keine Laborstunden
mehr von neun bis fünf. Der vertraglich verpflichtete Chirurg
setzte die Implantate außerhalb seiner Krankenhausarbeit ein,
oftmals des Abends, und er erwartete von Harriet, daß sie
assistierte. Sie würde viel lernen, aber sie würde das
regelmäßige Beisammensein mit Anna verlieren, das Bad, die
abendliche Zubettgeh-Geschichte. Liese, die ja einen Abschluß
in Erziehung hatte, hielt so etwas für wichtig.
    Harriet, voll von ihren Neuigkeiten von Unikhem, hatte ebenfalls
vergessen, nach dem Waldspaziergang zu fragen. Und sie mußte
ihre Aufmerksamkeit auf das verschrumpelte Bündel Farnkraut in
einem Topf auf dem Küchentisch lenken lassen. Harriet, die
keinen Abschluß in Erziehung hatte, war nicht sehr gut
gewesen.
    Liese wartete, bis Anna im Bett lag.
    Dann sagte sie: »Du mußt dir das gründlich
überlegen, Har’, ehe du diesen neuen Job
annimmst.«
    »Ich habe überlegt.« Sie waren im Wohnzimmer.
Harriet hatte die Füße aufs Sofa gelegt. »Sehr
gründlich.«
    »Wir können ohne das Geld auskommen. Das weißt
du.«
    Sie wußte es. Sie wollte den Job.
    »Leicht zu sagen, Liese, Liebes. Du bist eine Heldin. Du
vollbringst Wunder. Aber…«
    »Übrigens wird Annie in einem Jahr auf einer richtigen
Schule sein.« Liese sagte nichts dagegen, eine Heldin zu sein.
»Nur ein paar Stunden, aber ich könnte einen kleinen Job
annehmen.«
    Harriet runzelte die Stirn. Das Thema, einen kleinen Job
anzunehmen, tauchte häufig auf. »Wenn du Zeit brauchst, wo
du keine

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