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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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–,
wirft einen weiteren Blick in ihren Terminplaner und entdeckt,
daß der Doktor zufällig gerade in diesem Augenblick frei
ist.
    In Wahrheit hält er nach dem Essen gern ein Schläfchen,
und er hat ihr bei Todesstrafe untersagt, ihn je vor vierzehn Uhr
dreißig zu stören, aber an mir ist heute etwas, daß
sie lieber den Tod vorzieht. Diese Annahme erhärtet sich, als er
bei meinem Eintritt nicht im Sprechzimmer ist, jedoch einen
Augenblick später durch die Tür tritt, die offenbar ins
Hausinnere führt. Er knöpft sich das
Psycho-Engineerer-Jackett zu.
    Die Empfangsdame hat mich nicht nach meinem Namen gefragt, sie
muß wohl gedacht haben, ich würde beißen oder
explodieren oder etwas in der Art, also ist Pete von meinem Anblick
sehr überrascht.
    Ich sage zu ihm, dies sei keine richtige Konsultation, mir gehe es
völlig gut, ich hätte mich nie besser gefühlt, ich
wolle lediglich ein paar Informationen von einem Experten. Er
lädt mich ins Haus zu einem Drink und einem Plausch ein, und ich
erwidere, es täte mir leid, ich hätte wirklich keine Zeit,
und wir lassen uns in seinem Sprechzimmer nieder, ich im
Patientensessel.
    Auch er wirft mir diesen abschätzenden Blick zu. »Also,
Harriet«, sagt er mit seinem charmanten englischen Akzent,
»wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Sie können mir alles über die
Psycho-Engineering-Behandlung erzählen.«
    »Die gesetzlichen Voraussetzungen oder die Technik?«
    »Die Technik.«
    »Die Technik beruht auf der Absicht. Die Absicht besteht
grundlegend darin, einen Straftäter hervorzubringen, der keine
erneuten Straftaten begeht.«
    »Worin besteht diese Technik?«
    »Damit macht man nicht großartig Reklame. Die Regierung
erspart den Leuten gern das, was diese vielleicht als schmerzliche
Einzelheiten ansähen.«
    »Dennoch autorisiert die Regierung diese Technik zu unserem
Nutzen.«
    »Sehr wahr. Aber da gibt’s eine stillschweigende
Übereinkunft. Die Regierung glaubt, die Leute wollten diese
Einzelheiten nicht wissen, also teilt sie sie auch nicht
mit.«
    »Also haben alle freie Hand.«
    »Nicht ganz. Der medizinische Beirat beschäftigt einen
Wachhund. Und auf jeden Fall…«
    »… Auf jeden Fall gehöre ich zu den Leuten, und ich
möchte die Einzelheiten wissen. Ich bin zudem ärztliche
Kollegin. Ich habe eine geöffnete Schädeldecke
gesehen.«
    »Wird heutzutage sehr selten praktiziert…« Er
lächelt. Er hat mich nicht gefragt, weswegen ich es wissen
möchte. Er hat mich überhaupt nichts gefragt. Er behandelt
mich. Er hat gesehen, daß ich eine Behandlung nötig habe,
und er behandelt mich. »Welche kriminelle Tendenz wollen wir
auslöschen? Wie ich annehme, haben wir einen bestimmten Fall im
Hinterkopf? Was ist es also? Kindesmißbrauch? Mord?
Gewohnheitsdiebstahl? Trunkenheit am Steuer?
Vergewaltigung?«
    »Mord.«
    »Extrem gewalttätig? Oder einfach zum Verbrechen
fähig?«
    »Zum Verbrechen fähig.«
    »Zur persönlichen Bereicherung?«
    »Nein.«
    »Ein sexuelles Motiv? Wir reden doch über einen
männlichen Straftäter, nehme ich an?«
    »Keine Vergewaltigung, wenn Sie das meinen.«
    »Aber ein Verbrechen zwischen Mann und Frau… schwierig.
Da gibt’s womöglich Motive, die außerhalb unserer
Reichweite liegen. Eine uralte Feindschaft. Furcht. Macht.
Faszination. Mann/Frau, weiß/schwarz, Christ/Jude. Ein
leidenschaftliches Mißtrauen…«
    Ich brauche keine Poesie. »Dann können Sie nichts
tun?«
    »Wir können immer etwas tun.«
    »Die Mistkerle kastrieren?«
    »Sicherlich könnte Kastration die Verbrechensrate um
sechzig Prozent herabsetzen, aber die Gesetzgebung verbietet
Kastration.«
    »Die Gesetze wurden von Männern gemacht.«
    »Stimmt genau. Aber warum ein grobes, mechanisches Vorgehen,
wenn ein Mikrowandler an der richtigen Stelle den Job ebensogut
erledigt? Wir sind nicht auf Bestrafung oder Abschreckung aus. Beides
hat man jahrtausendelang versucht, und es hat nicht funktioniert. Wir
wollen Straftäter, die nicht rückfällig
werden.«
    »Und mein Mord?«
    »Behandelbar.« Er lehnt sich zurück.
»Abgesehen vom zugrundeliegenden Trauma sind drei grundlegende
Fehlfunktionen involviert. Die Kompensationsunfähigkeit, woraus
Wut resultiert, die Unfähigkeit zu unterdrücken, woraus
Aktion resultiert. Die Unfähigkeit der Hemmung, woraus ein
Gewaltakt resultiert – in diesem Fall Mord.«
    Er redet weiter. Und weiter. Er erzählt mir, er könne
die Erregung an der Gehirnoberfläche blockieren, die beim Aufbau
bis hin zur Durchführung eines

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