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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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und war auf und davon.
Er bewegte sich geschickt und schaute nicht zurück.
    Harriet schritt rasch durch die Tür, sah ein schmales
Treppenhaus vor sich und rief hinauf: »Fateya? Aku
Fateya?«
    Es ertönte ein fernes Ächzen. Sie sagte zu Mark:
»Ich gehe hinauf!«
    »Hältst du das wirklich für richtig?«
    »Ich glaube, das war wohl Mrs. Fateya, und ich glaube, sie
hat mich eingeladen, hinaufzugehen. Ich glaube, sie hat uns beide
eingeladen.«
    Mark lachte leise. »Das hat sie ganz bestimmt
getan.«
    Der Raum oben war ebenso dämmrig und überladen, wie das
Sprechzimmer hell und kahl war. Ein Eßtisch mit einer Platte
aus falschem Marmor, dazu passende Eßstühle, ein
Kleiderschrank, aus dem die Kleider herausquollen, zwei Sideboards
mit Ahornmuster, eine vergoldete und verschnörkelte
Porzellanschatulle, ein großer Fernsehapparat im Schweden-Stil,
ineinander gestellte Kaffeetische aus grünem Onyx, viele
Pappkartons. Von der Decke hing ein schmieriger Glaskandelaber, und
in einer Ecke stand ein ungeheuerlicher, wulstiger Diwan mit einem
hochaufragenden, herzförmigen Kopfteil aus gestepptem Satin,
dessen rosa Färbung anscheinend das wenige erzeugte, was es hier
an Beleuchtung gab. Ein noch älterer Mann, vermutlich Dr.
Fateya, der einen tristen, europäischen Zweireiher mit allzu
großen Schulterpolstern trug, lag auf dem Bett, in einer Anzahl
rosafarbener Satinkissen gedrückt, und er betrachtete sie weder
mit Überraschung noch mit Neugier. Einstmals mochte er gut
ausgesehen haben, aber jetzt, im Alter, hatten seine tief in den
Höhlen liegenden Augen bräunlichpurpurfarbene Ringe, auf
den eingefallenen Wangen sprießte ein mehrtägiger, grauer
Stoppelbart, und der formelle Kragen und die formelle Krawatte, die
er trug, waren für den sehnigen Hals mehrere Nummern zu
groß. Das Weiße in den Augen war blutunterlaufen, und die
Lippen waren verkrustet. Er war entweder sehr krank, entschied
Harriet, oder er litt an einem fürchterlichen Kater. Oder
beides.
    Auf der Türschwelle zögerte sie. Sie hatte eine lange
Reise unternommen für ein professionelles Gespräch von Arzt
zu Arzt. Michael Volkov hatte sie gewarnt, nicht zuviel zu erwarten,
aber das hatte sie auf le vrai Dr. Fateya nicht vorbereitet.
War dies Dr. Fateya? Dafür sah er zu alt aus. Dr. Fateya
wäre in den Sechzigern – vielleicht war das hier sein
Vater. Sie räusperte sich, warf einen Blick über die
Schulter und war zum Davonlaufen bereit. Auf dem Tisch standen
Gläser und drei leere Flaschen.
    »Wir suchen Dr. Fateya«, sagte sie unsicher. »Dr.
Aku Fateya…«
    Mark drängte sich an ihr vorbei. »Guten Morgen, Doktor.
Guten Morgen…« Seine Stimme ließ die Verzierungen auf
den Sideboards klingeln. »Mein Name ist Kahn. Ich bin
Journalist. Wie geht’s Ihnen? Meine Frau ist krank, und uns sind
Ihre Dienste von einem unserer Freunde, Professor Volkov, empfohlen
worden. Sie erinnern sich vielleicht an ihn. Er spricht voller
Hochachtung von Ihnen.«
    Die blutunterlaufenen Augen öffneten sich leicht.
    »Voller Hochachtung. Sehen Sie, meine Frau hat heftige
Schmerzen im Unterleib gehabt, und wir haben schon eine
Blinddarmentzündung befürchtet. Wir sind Fremde in Ihrem
wunderschönen Land, und wir benötigen dringend Ihren
Rat.« Er ging auf das Bett zu, eine Hand zum Schütteln
ausgestreckt. »Sie werden uns ganz bestimmt nicht
enttäuschen, da bin ich mir sicher.«
    Harriet war beeindruckt. Blinddarmentzündung? Die Strategie
war gut, dem Mann über seinen Beruf Honig ums Maul zu schmieren.
Die Wahl der Krankheit ebenfalls – beim Abtasten
wüßte sie genau, welche Stellen die Schmerzen
hervorriefen, die auf festsitzende Winde und nicht auf einen
gereizten Blinddarm hindeuteten. Sie hoffte, Fateya wären sie
bekannt. Sie war nicht gerade begeistert davon, seine Hand auf ihrem
Unterleib zu spüren, aber das wäre ein kleiner Preis, der
für sein Vertrauen zu zahlen wäre.
    Dr. Fateya setzte sich im Bett auf. Er schleuderte seine
Manschetten zurück und spannte daraufhin die Finger wie ein
Pianist, der sich aufwärmte.
    »Entschuldigen Sie, Mr… Kahn, nicht wahr? Mr. Kahn, Mrs.
Kahn… ich habe geruht. Ich… die Wahrheit lautet, es geht
mir nicht gut.«
    »Das tut mir leid zu hören, Doktor.« Mark zog sich
einen Schritt zurück. »Wenn Ihnen nicht danach zumute ist,
meine Frau zu untersuchen, dann werden wir
natürlich…«
    »Nein, nein, nein…« Fateya war jetzt aufgestanden,
richtete seine Krawatte und säuberte diskret seinen Mund mit

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