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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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gehabt, warum also
die Unterbrechung? Hatte ich etwas getan, das mir angelastet werden
konnte?
    Die Taxifahrt vom alten Stadtzentrum bis zum Institut an der
Ringstraße dauerte zwanzig Minuten, genügend Zeit für
mich, das Rätsel ›Danno‹ beiseitezuschieben, Danno
beiseitezuschieben. Wir waren erwachsene Menschen. Wenn ich ihn
brauchte, war er dort, wenn er mich brauchte, war ich hier. Warum
also die Aufregung? Die Aufregung war darauf
zurückzuführen, daß er mich jetzt schon seit Jahren
ängstigte, und ich wußte den Grund dafür nicht. Mein
Bruder ängstigte mich.
    Im Institut kehrte ich in die wirkliche Welt zurück…
Lächerlich. War das die Wirklichkeit? Dieses viertägige,
alptraumhafte Gemisch aus Spionen, Informanten, aus Täuschung,
geheimen Zufluchtsstätten, Furcht – war das Wirklichkeit?
Lächerlich.
    Zunächst machte ich mich auf die Suche nach Gusso. Er war in
seinem Büro, einem Kasten mit Glaswänden, der sich an das
allgemeine Labor in der ersten Etage anschloß. Ich machte mich
auf die Suche nach ihm, weil mir ein freundliches Schicksal an einem
Samstag, und auch heute wieder, die Daten des Strahlungstests
gezeigt, mich mit der Nase darauf gestoßen und verlangt hatte,
daß ich die Verbindung herstellte, und das wenigstens –
inmitten des Versuchs, Dr. Marton zu täuschen – hatte ich
getan. Wo es klinisch angewandte Strahlung gibt, gibt es auch
Abschirmung. Es mußte welche geben, als Schutz für das
umgebende Gewebe. Wissenschaftler benutzten eine Menge Abschirmung.
Früher bestand sie aus Blei und war plump, jetzt jedoch ist sie
weitaus leichter. Sie besteht aus einer gesponnenen Kohle- und
Metallfasermischung in rechteckigen, zwei Meter langen Blättern,
die man mit der Schere abschneiden kann.
    Unsere elektronischen Wanzen mit Lösungsmittel zu entfernen
wäre ein ernsthafter Schritt – das würde sie
zerstören und die Gegenseite provozieren. Aber mit
Strahlungsabschirmung…
    Gusso sah in seiner Inventarliste nach und fand unter den
Stichwörtern ›Abschirmung‹, ›Strahlung‹ elf
Blätter. Ich sagte, ich wollte lediglich eins, und er nahm mich
mit hinab ins Lager im Erdgeschoß. Ich faltete mein Blatt
sauber zu einem Päckchen zusammen. Er fragte mich nicht, wozu
ich es haben wollte, und ich sagte es ihm nicht. Es war nicht so,
daß ich ihm mißtraute. Ich hatte einfach das Gefühl,
daß es schmutzig wäre, die Abschirmung dafür zu
benutzen, unsere Wanzen zu verbergen und die SPU an der Nase
herumzuführen. Feige. Insgeheim in der Gegend herumzufahren,
sich mit Natur zu verschwören, mit Gott der Mutter
festzumachen, meine Tochter in ein Kloster zu schicken, bei der
ganzen Sache kam ich mir vor wie, sah ich aus wie, war… eine
hinterlistige Person, und so wollte ich nicht aussehen, so wollte ich
mich nicht fühlen, das wollte ich nicht sein.
    Als nächstes machte ich mich auf die Suche nach Natya. Sie
war nicht da. Es war fast fünf Uhr, und sie war nach Hause
gegangen, zu ihrem Michael. Vielleicht hatte mich die
Wahrscheinlichkeit, daß sie genau dies getan hatte, dazu
veranlaßt, zunächst zu Gusso zu gehen. Das war einfacher.
Ich konnte sie kaum zu Hause bei ihrem Michael anrufen und das
bewußte Gespräch führen, die bewußte
Beschuldigung vorbringen, die Martons Leugnen erforderte. Das
würde bis morgen warten müssen oder sogar, wenn ich nicht
in der Stadt wäre, was gut sein konnte, bis übermorgen.
Dafür dankte ich Gott.
    Als ich mit dem Paket zu Hause eintraf, wartete Mark auf mich. Er
war früh von den winddurchtosten Ackerbaugebieten
zurückgekehrt und völlig erschüttert. Die erste
Familie, die er besucht hatte, einem Tip folgend, war so vom
Hautkrebs zerstört gewesen, daß er nicht weitergemacht
hatte. Anschließend hatte er im Wagen gesessen und geweint.
    Ich hatte Marton gesagt, es gäbe keine dummen Bauern. Falsch.
Aber ›dumm‹ war ein dummes Wort – jene Farmer waren
einfach und hartnäckig: sie bestellten seit fünfzig
Generationen ihre Felder auf diese und jene Weise, und sie hatten
nichts daran ändern wollen.
    Mark war trübsinnig. Die Leute vom staatlichen
Gesundheitsdienst legten die Hände in den Schoß, sagte er.
Das ganze Geld ging in die verdammte Syndromforschung. Frauen starben
auf Feldern keine 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Nicht
von ihnen hörte man, sondern nur von Spenderklienten, die eine
halbe Stunde in der Klinik warten mußten, oder von
PTG-Subjekten, die sich darüber beklagten, daß die
Behandlung lästig sei.

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