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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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schüttelte den Kopf. »Und sonst …?«
    »Na ja, es geht hier nicht nur um Deutschland, sondern um die wichtigsten Märkte in der Welt: USA, Frankreich, England, Italien, Japan und natürlich China.« Liane musste für einen Augenblick lächeln. »Die Japaner lieben zwei Deutsche: Bach und Lachmann.«
    »Kann das alles denn überhaupt ein Verlag wie Zeitraub oder Zuckerblume bewältigen?«, fragte Kroll neugierig.
    Liane schlürfte ihren Tee. »Den deutschen Markt sicherlich, aber nur was die Buchrechte angeht. Die ausländischen Titel werden ohnehin über Kooperationsverlage abgewickelt.«
    »Und da gab es doch bestimmt das erste Problem«, orakelte Kroll.
    »Ganz richtig! Der Chef von Zeitraub, dieser schnöselige Gutbrot, hat sich natürlich alles zugetraut, was nach Geld riecht! Und wollte auch alles haben.« Liane stand auf und schenkte sich Tee nach. »Aber da gab es ja noch mich! Ich habe Gutbrot von Anfang an zu verstehen gegeben, dass es hier nur um den deutschen Markt und auch nur um die Buchrechte geht.«
    »Da war der wohl nicht begeistert«, prophezeite diesmal Wiggins.
    Liane Mühlenberg wog den Kopf hin und her. »Dem blieb eigentlich nichts anderes übrig, als unsere Bedingungen zu akzeptieren. Er musste Willi auf jeden Fall halten und der deutsche Markt war immerhin besser als gar nichts. Ich glaube, mit dem Spatz in der Hand wäre der schon zufrieden gewesen … das war ja auch ein fetter Spatz!«
    »Und Zuckerblume?«, hakte Wiggins nach.
    Liane verzog den Mund zu einem Lächeln. »Der kleine Eigenrauch ist schon ein komischer Vogel! Dem war alles egal. Der hat uns gesagt, er will den Lachmann unbedingt haben, Vertragsbedingungen seien egal, er wolle nur keinen Verlust machen. Wir sollten ihm nur die Buchrechte geben und schriftlich bestätigen, dass wir keinen Fuß mehr in den Zeitraub-Verlag setzen!«
    »Du weißt bestimmt, warum!«, warf Kroll ein.
    »Na klar, der Gutbrot wollte den schlucken! Aber Eigenrauch ist ein dicker Happen, im wahrsten Sinne des Wortes!«
    »Und wie hat Willi reagiert?«, fragte Wiggins.
    »Dem war das alles ziemlich egal. Der Eigenrauch hatte natürlich geringfügig bessere Bedingungen. Aber für Willi war Geld nicht so wichtig. Ich hatte den Eindruck, Eigenrauch hatte ihn an seiner sozialen Ader gepackt. Und das zählte schon mehr.« Liane strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Darüber hinaus gab es natürlich noch ganz andere Kandidaten, vor allem die aus Hamburg und München.«
    »Aber Willi muss doch eine Meinung gehabt haben!«
    Liane zuckte mit den Schultern. »Das war schwierig. Der Eigenrauch war ihm durchaus sympathisch. Andererseits gab es gute Gründe, die für Zeitraub sprachen. Immerhin hatte er jahrelang mit dem Verlag zusammengearbeitet und er hatte eine Lektorin, von der Willi überzeugt war. Das ist nicht zu unterschätzen. Jeder Autor ist auf ein gutes Lektorat angewiesen und die Zusammenarbeit zwischen Autor und Lektor ist nicht immer so einfach. Da macht kein Autor gerne Experimente. Das war mit Sicherheit Gutbrots größtes Pfand.«
    »Bis wann musste Willi sich entscheiden?«, wollte Kroll wissen.
    Liane winkte ab. »Sein nächster Roman sollte zur Leipziger Buchmesse im kommenden Jahr erscheinen. Für die Vertragsunterzeichnung hätten wir mit Sicherheit noch ein halbes Jahr Zeit gehabt.«
    »Ein halbes Jahr Zittern und Bangen für Gutbrot«, überlegte Wiggins laut.
    Die Polizisten beschlossen, den pensionierten Kollegen Bernd Vogelsang, inzwischen 85 Jahre, aufzusuchen. Vogelsang war Witwer, er litt an einer schweren Arthrose, die ihn an einen Rollstuhl fesselte. Kroll kannte Vogelsang gut, weil er ihm zu Beginn seiner Laufbahn für drei Jahre zur Ausbildung zugeteilt war. Für Kroll sehr wertvolle Jahre, in denen er viel gelernt hatte.
    Kroll wusste, dass sein alter Ausbilder inzwischen in einem Seniorenheim wohnte. Zu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass es sich hierbei um die Herbstvilla handelte, dem sozialen Projekt von Willi Lachmann.
    Vogelsang wurde gerade mit einem Lift aus dem Schwimmbad gehoben und im Anschluss von einem Pfleger auf einer Liege sitzend abgetrocknet. Danach half ihm der Pfleger in die Freizeitkleidung und hievte den alten Mann mit einer geübten Bewegung in den Rollstuhl. Kroll und Wiggins hielten sich bewusst im Hintergrund auf. Sie wussten, dass es ihrem alten Kollegen sicherlich unangenehm sein würde, wenn sie ihn in so einem hilflosen Zustand sahen.
    Sie gingen auf den ehemaligen Polizisten zu, als er

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