Messewalzer
aus einem Regal ein paar Zeitungen. »Hier! Die habe ich alle gesammelt. Der Mord ist immerhin das Topthema in den Zeitungen. Weiß die Polizei eigentlich schon, wer ihn auf dem Gewissen hat?«
Wiggins verneinte. »Aber warum glauben Sie, dass wir gerade mit Ihnen über Willi Lachmann sprechen wollten?«
»Sie werden doch herausgefunden haben, dass der einen Roman über meine Geschichte schreiben wollte!«
»Ja, aber woher wissen Sie das?«, fragte Kroll.
»Ja, weil er es mir erzählt hat, natürlich.«
»Er war also bei Ihnen?«
»Ja, hier in meiner Wohnung.« Eimnot deutete mit der Bierflasche auf das Sofa. »Hat da gesessen, wo Sie jetzt gerade sitzen.«
»Und wie oft hat er Sie besucht?«
Peter Eimnot überlegte. »Drei-, vielleicht viermal.«
Kroll stand auf und ging zum Fenster. »Und über was haben Sie sich unterhalten?«
»Über meinen Fall natürlich. Unschuldig im Knast! Das ist doch ein netter Stoff für eine Abendunterhaltung.« Er lachte hämisch. »Zu irgendetwas musste mein Schicksal ja getaugt haben.«
»Was genau haben Sie ihm erzählt?«
»Meine ganze Geschichte. Von der Festnahme, den Verhören, über die Gerichtsverhandlung und natürlich mein Leben im Knast. Keine besonders lustige Erzählung. Aber Lachmann wollte alles haargenau wissen. Der war an jeder Kleinigkeit interessiert. Noch viel mehr als die Journalisten, die mich interviewt haben.«
»Können Sie sich das erklären?«, fragte Wiggins.
»Ich glaube, der wollte einfach nur recherchieren. War eben ein gründlicher Mensch. Der Lachmann war auch sonst in Ordnung.«
Eimnot rieb mit dem Daumen über den Zeigefinger. »Hat mir immer was mitgebracht. Geizig war der nie!«
Kroll lehnte sich an die Fensterbank. »Hat Lachmann mal den Namen Goran erwähnt?«
»Nicht, dass ich wüsste!«
»Kennen Sie einen Goran?«, hakte Wiggins nach.
»Ich kenne niemanden«, war die knappe Antwort.
»Und sagt Ihnen die Abkürzung AGMS etwas?«
»Nie gehört.«
»Worüber haben Sie außerdem geredet?«, wollte Kroll wissen.
»Über Gott und die Welt.«
»Geht es ein bisschen genauer?«
Eimnot steckte sich eine Zigarette an. »Eins war in der Tat eigenartig. Der Lachmann wollte von mir immer wissen, ob ich etwas über den Mord von damals wusste. Aber da war der bei mir natürlich an der falschen Stelle. Ich habe die Tat schließlich nicht begangen, wie sich Gott sei Dank herausgestellt hat.« Er streifte die Asche ab. »Ganz hartnäckig hat er mich immer gefragt, ob ich wüsste, wer das kleine Mädchen war. Aber wie gesagt. Das war nicht meine Baustelle.«
Kroll ging auf Eimnot zu. »Was für ein kleines Mädchen?«
»Der Lachmann meinte, bei dem Mord im Bürogebäude damals habe noch ein Kind auf dem Rücksitz gesessen. Aber fragen Sie nicht mich. Wie gesagt, ich war nicht dabei.«
Wiggins gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. »Was war Ihre Reaktion?«
Eimnot schien das Thema unangenehm zu werden. »Ich sagte Ihnen doch bereits, dass ich mit dem Mord von damals nichts zu tun hatte. Geht die Scheiße etwa schon wieder los?« Er griff demonstrativ nach seiner Bierflasche.
Kroll ließ den Motor des Dienstwagens nicht an. Er wollte sich noch mit Wiggins abstimmen, bevor er losfuhr. »Von einem Kind auf dem Rücksitz steht nichts in den Akten. Warum nicht?«
»Das kann zwei Gründe haben: Entweder sollte etwas verheimlicht werden oder das Mädchen gab es gar nicht. Ein Romanautor ist jetzt auch nicht gerade die belastbarste Quelle.«
Krolls Zweifel wurden immer größer. »Woher wusste Lachmann von dem Mädchen und vor allem, warum taucht das Kind verdammt noch mal nicht in den Akten auf?« Er startete den Motor. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Mord an Lachmann und der Fall Annemarie Rosenthal zusammenhängen … was hat der Lachmann nur herausgefunden?«
»Ein Königreich für das verschwundene Manuskript«, bemerkte Wiggins lakonisch.
Kroll schlug mit der Hand auf das Lenkrad. »Aber das ist doch genau das, was ich meine! Der Lachmann schnüffelt in einem Verbrechen herum, das über 20 Jahre zurückliegt. Und seine Aufzeichnungen darüber sind weg. Und uns stellen sich mehr Fragen als Antworten! Wir müssen noch mal mit Liane sprechen.«
Wiggins rief Lachmanns Lebensgefährtin auf dem Handy an und erfuhr, dass sie gerade in der Innenstadt war und Einkäufe erledigte. Sie verabredeten sich am Bachdenkmal auf dem Thomaskirchhof.
Das eiserne Abbild des großen Komponisten, der hinter seiner Orgel stand, schien auf
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