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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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sie herabzublicken. Sie hatten sich auf eine Bank gesetzt. Die hohen Mauern der Thomaskirche spendeten kühlen Schatten.
    Liane sah zum Denkmal. »Wisst ihr, wie oft Willi mit Bach verglichen wurde? Der schreibende Bach … der Schriftsteller, der seine Sätze platziert wie Bach seine Fugen … der Autor, der die Melancholie der Matthäuspassion in Worte fasst … und all so ein Mist. Willi war das peinlich. Er sagte immer, wenn man ihn mit Bach vergleiche, sei das so, als würde man den Absolventen eines Erste-Hilfe-Kurses mit Robert Koch auf eine Stufe stellen. Willi hat oft Bach beim Schreiben gehört. Damit konnte er besser abschalten.«
    Liane lachte. »Ich glaube, bei seinem letzten Manuskript habe ich mir monatelang die Goldbergvariationen von Glenn Gould anhören müssen. Aber gerade diese ständigen Wiederholungen, bei denen er unablässig etwas Neues entdeckte, hatten Willi wohl ganz besonders inspiriert.«
    Kroll griff das Thema auf. »Sein letztes Manuskript, das ja leider verschwunden ist, ist ein gutes Stichwort. Wir sind uns jetzt ziemlich sicher, dass Willi Lachmann an der Geschichte von Peter Eimnot dran war und vor allem auch an dem Mord von Annemarie Rosenthal. Es ist kein Zufall, dass gerade dieses Manuskript gestohlen wurde und sonst nichts!«
    Liane Mühlenberg war verunsichert. »Aber ich habe euch doch bereits gesagt, dass Willi nie mit mir über seine laufenden Arbeiten gesprochen hat.«
    »Wirklich keinen Ton?«, fragte Wiggins. »Keinen Ton!«, wiederholte Liane. »Er wollte sein Ding ohne den geringsten Einfluss von außen machen. Erst wenn seine Arbeit abgeschlossen war, hat er mit anderen drüber gesprochen oder sein Manuskript zum Korrekturlesen herausgerückt. Das war der früheste Zeitpunkt, zu dem ich von seinem aktuellen Projekt erfahren habe.«
    Wiggins wollte das nicht glauben. »Aber Liane! Willi hat an einem der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre recherchiert und er hat mit dir auch nicht ein Sterbenswörtchen darüber geredet. Das ist wirklich kaum vorstellbar!«
    Liane zuckte mit den Schultern. »Willi war da ein gebranntes Kind. Bei seinem ersten Roman hat er den Stoff mit allen möglichen Leuten besprochen. Mit seinen engsten Freunden, mit seiner Familie und, und, und. Das Resultat war, dass jeder glaubte, die besten Ideen zu haben und am Ende eingeschnappt war, wenn Willi die nicht umgesetzt hat. Das war wenig produktiv und nicht im Geringsten geeignet, Kontakte zu pflegen. Daraufhin hat sich Willi entschlossen, erst einmal alles allein zu machen. Das war wirklich die bessere Alternative und das Selbstbewusstsein hatte er alle Mal.«
    Kroll sah ein, dass es wenig Sinn machte, das Thema weiter zu vertiefen. »Was mich noch interessieren würde: Was hat Willi in der letzten Zeit so unternommen? War irgendetwas anders als sonst? Ist dir irgendetwas eigenartig oder komisch vorgekommen?«
    »Ich weiß nicht … das Einzige, was mir komisch vorkam, war, dass er viel nach Berlin gefahren ist.«
    »Berlin«, wiederholte Wiggins. »Was wollte er in Berlin?«
    Liane schien die Fragerei langsam auf die Nerven zu gehen. »Ich habe euch doch schon 100 Mal gesagt, dass er mit niemandem über seine Arbeit gesprochen hat. Warum könnt ihr das nicht akzeptieren?«

    Kroll fuhr den Dienstwagen über die steile Ausfahrt vor dem Parkhaus an der Thomaskirche und bog auf den Innenstadtring ab. »Ich bin mir jetzt noch sicherer als zuvor, dass der Mord an Willi Lachmann etwas mit der Geschichte um Annemarie Rosenthal zu tun hat. Er war häufig in der Hauptstadt gewesen, dort zentriert sich doch alles. Vor allem die ganzen Archive! Wo kann man besser in der Vergangenheit stöbern als in Berlin?«
    Wiggins war sich nicht so sicher wie sein Kollege. »Kann sein, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall sollten wir herauskriegen, was er dort gemacht hat.«
    Kroll ließ sich nicht beirren. »Ich will mehr über die Rosenthal erfahren. Die muss doch Verwandtschaft gehabt haben. Versuch doch mal herauszubekommen, wer davon noch greifbar ist.«
    Wiggins nahm sein Handy und wählte die Nummer seines Kollegen Volker Schöck. Der hatte Annemarie Rosenthal bereits in seine Recherchen einbezogen. Wiggins erfuhr, dass das Juwelierehepaar Rosenthal seit Langem verstorben war. Annemarie hatte jedoch eine leibliche Schwester, die in Bremen wohnte. Schöck hatte die Adresse und sämtliche Telefonnummern ermittelt. Die Polizisten hatten Glück. Sarah Bräutigam hielt sich in Leipzig auf, um die

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