Messewalzer
das Schicksal.«
»Hier finden noch immer zu viele Menschen ihr persönliches Schicksal«, ergänzte Wiggins. »Das Denkmal ist leider auch bei Selbstmördern sehr beliebt.« Gutbrot ließ sich nicht aus seiner nachdenklichen Stimmung reißen. »Mors est quies viatoris, finis est omnis laboris. Der Tod ist die Ruhe des Wanderers – er ist das Ende aller Mühsal. Der Tod. Wem gehorcht er wohl? Wem steht er zu Diensten?«
»Manche Menschen glauben wohl, dass der Tod geeignet sei, ihren persönlichen Interessen zu dienen«, bemerkte Kroll. »Meist ein großer Irrtum. Aber ich würde gern zur Sache kommen: Herr Gutbrot, Sie haben uns nicht die Wahrheit erzählt, was Ihr Alibi angeht. Sie haben Auerbachs Keller um 19.30 Uhr verlassen. Sie hatten genug Zeit, Lachmann zu töten.«
Gutbrot schien diese Neuigkeit nicht zu beeindrucken. Er wirkte immer noch abwesend. »Warum sollte ich Lachmann umbringen? Wir schlachten jetzt eine tote Kuh aus, die wir gerne noch viele Jahre gemolken hätten.«
Wiggins drehte sich um und sah Gutbrot an. »Zum Beispiel, weil wir von Frau Mühlenberg erfahren haben, dass Sie die Kuh, wie Sie es nennen, ohnehin nicht mehr lange gemolken hätten. Weder Herr Lachmann noch Frau Mühlenberg waren offensichtlich an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem ZeitraubVerlag interessiert. Die Biografie kriegt ja auch jemand anderes.«
Gutbrot lachte bitter. »Die Wege dieser Herrin sind unergründlich. Was soll das Ganze? Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich ein Mörder bin!«
Kroll wurde ungeduldig. »Glaubensfragen gehören in die Kirche. Ich will einfach wissen, wo Sie wirklich waren, Herr Gutbrot!«
Der Verleger drehte sich um und lehnte mit dem Rücken an die Brüstung. »Ich war im Wasserturm.«
Der Wasserturm war ein großes Bordell in Leipzig an der Straße Richtung Taucha. Die Polizisten wussten genau, dass es nahezu unmöglich war, das Alibi zu hinterfragen. Der Wasserturm war das mit Abstand größte erotische Etablissement in Leipzig und Umgebung, in dem unzählbar viele Prostituierte arbeiteten. Zu Messezeiten herrschte sicherlich Hochbetrieb.
Kroll hakte nach. »Hat Sie dort jemand gesehen? Wie hieß denn die Dame, bei der Sie den Abend verbracht haben?«
»Es war ziemlich voll. Sicher haben mich viele Gäste gesehen. Mir ist aber keiner namentlich bekannt. Die Dame hieß Mandy oder so ähnlich. Kann aber auch ein anderer Name gewesen sein. Ich war schließlich nicht dort, um mich zu unterhalten.«
Wiggins klappte seinen Notizblock zu. »Wir werden das überprüfen! Ich hoffe nur, Sie haben uns nicht schon wieder angelogen! Wann verlassen Sie Leipzig?«
»Morgen früh. Mein Flieger geht um 7.45 Uhr.« »Halten Sie sich bitte bis zur Abreise zu unserer Verfügung«, verlangte Kroll zum Abschied.
Sie saßen bereits im Auto, als Krolls Handy klingelte. Kommissar Volker Schöck wollte ihn sprechen.»Hallo, Kroll. Ich habe mir gerade die Videos von der Überwachungskamera angesehen, die bei uns vor dem Haupteingang hängt. Ich dachte, das kann nicht schaden. Vielleicht ist der Täter bei uns vorbeigekommen, schließlich liegt das Präsidium nur einen Steinwurf von der Pfeifenstube entfernt. Du wirst es nicht glauben: Ich hatte einen Treffer.«
»Mach’s nicht so spannend!«, forderte ihn Kroll auf.
»Der Verleger Gutbrot ist genau um 19.58 Uhr durch das Blickfeld unserer Kamera gefahren, mit einem Fahrrad.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
»100 Pro! Die Person stimmt genau mit dem Foto überein, das wir in der SOKO verteilt haben. Da besteht überhaupt kein Zweifel.«
Kroll sah Wiggins an. »Danke, Volker, du hast uns sehr geholfen! Schick bitte noch eine Truppe los, die sollen unbedingt das Fahrrad suchen.«
»Mach ich! Bis später.«
Kroll und Wiggins gingen zurück zum Völkerschlachtdenkmal. Schon von Weitem erkannten sie, dass sich vor dem Haupteingang eine große Menschenmenge versammelt hatte. Alle reckten ihre Köpfe in die Höhe. Elmar Gutbrot stand auf der Brüstung.
»Scheiße!«, fluchte Kroll. Er nahm sein Handy und informierte die Feuerwehr und die Kollegen. »Wir müssen da hoch!«
Die Polizisten wollten nicht auf den Fahrstuhl warten, sondern stürmten die Treppen hinauf. Außer Atem erreichten sie die Plattform. Wiggins zeigte seinen Ausweis und bat die anwesenden Touristen, sich zu entfernen. Kroll näherte sich Gutbrot bis auf eine Entfernung von drei Metern.
»Herr Gutbrot! Das bringt doch nichts! Kommen Sie da runter!«
Gutbrot schien den Beamten
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