Messewalzer
den Archiven der Birthler-Behörde und im Senat herum. Ich möchte aber, dass du dich nicht nur auf die Akten Ehrentraut stürzt, sondern dich auch um die Zwangsadoptionen kümmerst.« Oskar Jäger war erfreut. »Bin schon weg, Chef!«
»Wenn wir den nicht hätten …«, bemerkte Wiggins, als die Tür wieder zugefallen war.
Kroll nickte. »Ich bin froh, dass ich die ganze Recherchescheiße nicht machen muss! Aber jetzt sollten wir vielleicht in die Gegenwart zurückkehren.«
»Wie meinst du das?«, fragte Wiggins.
»Ich meine, dass der Tod von Willi Lachmann vielleicht gar nichts mit dieser Datei zu tun hat. Vielleicht ist es ja viel banaler! Eifersucht, Konkurrenzkampf oder was weiß ich.«
»Was schlägst du vor?«
»Heute ist der letzte Tag der Buchmesse. Wir sollten uns da noch ein bisschen umhören, bevor die alle wieder weg sind.«
Sie waren gerade aufgestanden, als Staatsanwalt Reis ihr Büro betrat. In der Hand hielt er ein Bündel Tageszeitungen. »Habt ihr gelesen, was heute so alles in der Zeitung steht?«
Kroll und Wiggins betrachteten die Überschriften der Zeitungen, die Reis sorgfältig auf dem Schreibtisch ausgebreitet hatte. Je nach Anspruch des jeweiligen Blattes war die Titelstory mehr oder weniger reißerisch. Aber der Tenor war immer der gleiche: Willi Lachmann wurde wegen seines nächsten Romans ermordet.
Der Staatsanwalt wurde ironisch. »Ich zeige euch das nur, damit ihr genau wisst, in welche Richtung ihr ermitteln müsst. Scheint ja ziemlich eindeutig zu sein!«
»Woher weiß die Presse das?«, murmelte Wiggins. »Ich fürchte, unsere Freundin Liane ist in letzter Zeit zu vielen Journalisten begegnet«, antwortete Kroll. Er sah den Staatsanwalt an. »So sicher sind wir uns da allerdings nicht. Das ist eine Spur, aber …«
Reis hob abwehrend die Hände. »Später. Ich muss in zehn Minuten im Landgericht sein.«
Kroll legte die Tageszeitungen zusammen und stopfte sie in den Papierkorb. »Komm, Wiggins, wir gehen auf die Buchmesse!«
Einem Bauchgefühl folgend, gingen die Polizisten zunächst in die Messehalle 4. Liane Mühlenberg saß abermals am Stand des Schröder-Verlages und unterhielt sich angeregt. Sie erkannte die Polizisten, die sie anzusteuern schienen, und brach abrupt ihr Gespräch ab. Sie kam den Kommissaren auf halbem Weg entgegen und strahlte sie freundlich an.
»Hallo, ihr zwei. Trinken wir einen Kaffee in der Cafeteria?«
Die korpulente Bedienung stellte freudlos einen schwarzen Kaffee, ein Wasser und eine Cola Light auf den runden Tisch. Liane kostete den Kaffee und verzog das Gesicht. »Entweder die haben eine gute Mikrowelle oder die Bohnen wurden noch mit einer Kogge angeschifft.« Sie schob die Tasse beiseite.
Kroll probierte seine Cola und stellte fest, dass sie keine Kohlensäure enthielt. »Ich vermute, die kam mit demselben Schiff aus Amerika!«
Wiggins hob sein Glas in die Höhe. »Ihr müsst eben stilles Wasser nehmen, damit kann man nichts falsch machen.«
»Das stimmt«, bemerkte Kroll. »Das Wasser im Waschraum hat immer die gleiche Qualität.« »Was treibt euch auf die Buchmesse?«, fragte Liane.
»Uns würde zum Beispiel interessieren, warum du in letzter Zeit so viel mit dem Schröder-Verlag plauderst. Schließlich sind doch alle Manuskripte von Willi Lachmann veröffentlicht worden, bis auf das eine, das verschwunden ist.«
Liane überlegte kurz, ob sie noch mal an dem Kaffee nippen sollte, entschied sich jedoch dagegen. »Ihr seid ganz schön neugierig.«
»Das ist leider unser Job«, bedauerte Wiggins.
»Ich dachte, euer Job ist, einen Mörder zu finden.«
Kroll hatte keine Lust, den Sinn seiner Fragen zu diskutieren. »Wenn das so ein großes Geheimnis ist, wollen wir dich natürlich nicht in Verlegenheit bringen.«
»Schon gut.« Liane Mühlenberg wurde ein wenig verlegen. »Ich habe wirklich keine Geheimnisse. Es ging um zwei Dinge: Zum einen wollen die, dass ich eine Biografie über Willi schreibe. Und zum anderen will ich auch etwas von denen. Ich habe nämlich noch keine Lust, in den Ruhestand zu gehen. Ich würde gerne als Lektorin arbeiten, vor allem mit jungen, noch unbekannten Autoren.«
»Warum nicht mit den alten?«, fragte Wiggins.
Liane winkte ab. »Den Stress tu ich mir nicht an. Bei denen hast du mit jeder Zeile mehr Diskussionen als in allen Talkshows zusammen. Nein, es müssen noch junge Leute sein, die froh und dankbar sind und vor allem konstruktiv mit Kritik umgehen können. Da liegt auch meine Stärke. Wenn
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