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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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sich Goran und seine Geisel tatsächlich in der alten Brauerei aufhielten. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, sich erst einmal mit der Umgebung vertraut zu machen. Die Kollegen konnte er schließlich immer noch benachrichtigen. Kurz dachte er daran, dass seine Dienstwaffe in einem verschlossenen Schrank im Präsidium lag. Das war nichts Ungewöhnliches. Seine Waffe hatte er nur selten dabei.
    Als er den Innenstadtring verließ, stellte er die Sirene aus und nahm das Blaulicht vom Dach.
    Er parkte direkt auf dem Parkplatz, der zur alten Brauerei gehörte. Er wusste nicht genau, was ihn erwartete und deshalb wollte er sich so unauffällig wie möglich benehmen. Sollte er angesprochen werden, würde er sich als Immobilienmakler ausgeben, der sich für das Grundstück interessierte. Schließlich war die Lage nicht schlecht: Leipziger Innenstadt.
    Das Gebäude der alten Brauerei bestand aus roten Backsteinziegeln. Ihm war sofort anzusehen, dass die Produktion eingestellt war, obwohl das erst wenige Monate her sein konnte. Die großen Fenster im Erdgeschoss waren milchig vom Staub und teilweise eingeschlagen. Es hatte wohl nicht lange gedauert, bis die ersten Einbrecher wie Zecken über das Gebäude hergefallen waren. Die Scheiben im Obergeschoss waren nicht beschädigt. Über dem Flachdach ragte ein überdimensionaler Schornstein empor.
    Kroll ging einmal um das Gebäude herum und versuchte, durch einen Blick in die Fenster weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Vergeblich. Er konnte nur die Gerätschaften für die Produktion, endlos viele Lagerregale in jeder nur erdenklichen Größe und stapelweise Bierkisten entdecken. Als er an der schmaleren Giebelseite des Hauses vorbeikam, wollte er vorsichtig das Haupttor öffnen, musste sein Vorhaben jedoch aufgeben, weil es fest verriegelt war. Er beschloss, die Brauerei durch ein zerschlagenes Fenster an der Längsseite zu betreten, die zur Straße abgewandt war. Mit einem Ziegelstein, den er auf dem Boden gefunden hatte, schlug er vorsichtig die abgebrochenen Glasscherben auf der Brüstung ab. Dann kletterte er in das Gebäude hinein.
    Kroll wartete einen Moment, bis seine Augen sich an das diffuse Licht, das durch die staubigen Fenster eindrang, gewöhnt hatten. Sein Blick blieb zunächst an dem riesigen Braukessel aus Bronze hängen, der in der Mitte des Gebäudes stand. Daneben befanden sich noch weitere Kessel, deren Funktion Kroll nicht kannte. In den Boden waren mehrere gekachelte Vertiefungen eingelassen, die ihn an kleine Schwimmbecken erinnerten. Deren Boden war bedeckt mit einer übel riechenden Flüssigkeit, vermutlich irgendetwas Verfaultem. Sonst sah er nur Regale, Bierkisten und Fässer.
    Kroll überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Er beschloss, zunächst den Aufgang in die obere Etage zu suchen. Sollte sich dieser Goran tatsächlich im Gebäude befinden, wäre er einem Angriff vom oberen Ende der Treppe oder gar aus dem Obergeschoss hilflos ausgeliefert. Diesen Vorteil wollte er seinem Gegenüber nicht gönnen.
    Er ging langsam, ohne auch nur das leiseste Geräusch zu verursachen, durch die großen Regale in Richtung der Längsseite, die von seinem Standpunkt aus am weitesten entfernt lag. Instinktiv fasste er sich an die Brust, um seine Dienstwaffe zu ziehen, die aber immer noch nicht da war. Wieder überlegte er, ob es nicht klüger sei, die Kollegen zu informieren. Er fühlte sich wie ein Taucher, der in großer Tiefe nicht mehr wusste, ob seine Luft noch zum Auftauchen reicht. Aber irgendwie konnte er auch nicht umkehren. Jetzt war er schon so weit und wollte einfach nicht mehr zurück. Sein Spürsinn fesselte ihn dermaßen, dass er jede vernünftige Überlegung verdrängte, genau so wie bei einem Tiefenrausch.
    Die Treppe zum Obergeschoss war aus Stahl, die Stufen ein breites Gitter. Kroll sah hinauf. Glücklicherweise war es oben genauso hell wie im Erdgeschoss. Vorsichtig ging er die Stufen hinauf. Als er die Mitte der Treppe erreicht hatte, konnte er über den Boden der oberen Etage sehen. Es war niemand da. Kroll ging weiter.
    Das Obergeschoss wurde überwiegend als Lagerraum genutzt. Er konnte Reste von getrocknetem Getreide und alte Maschinen erkennen. Auf der Seite hinter der Treppe, die sich in seinem Rücken befand, waren Büroräume eingerichtet. Sämtliche Türen standen offen. Das erklärte den Einfall des Tageslichts. Kroll schritt die Büros achtsam ab. Neben den Türen waren Schilder befestigt, die Auskunft gaben, wer früher hier residiert

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