Messewalzer
nichts anderes gelernt.«
Schreck ließ sich wieder in seinen Schreibtischstuhl fallen und trank das halbe Glas aus. »Warum so bescheiden? Als du bei der EM im Finale warst, hättest du mehr aus dir machen können. Aber du wolltest ja nicht hören. Wusstest damals schon alles besser.« Er zeigte mit dem Finger auf Kroll. »Aus dir wäre ein richtig guter Fighter geworden.«
»Ich kämpfe lieber mit Regeln«, bemerkte Kroll emotionslos.
Schreck lachte laut bellend. »Regeln?« Er schien sich gar nicht mehr einzukriegen. »Du redest von Regeln, Kroll?« Er zog die oberste Schublade seines Schreibtisches auf und holte ein Bündel Geldscheine heraus. »Das hier sind die Regeln des Lebens. So einfach ist das.«
Kroll nickte anerkennend. »Die Geschäfte scheinen gut zu laufen, Henry.«
Schreck kaute heftig auf seinem Glimmstängel herum. Er war auf einmal misstrauisch geworden.
»Du bist doch nicht gekommen, um mich zu fragen, wie meine Geschäfte laufen. Und besondere Sehnsucht nach mir hattest du doch auch noch nie! Also! Warum bist du hier?«
»Ich habe gehört, du hast bei diesem Cage-FightKram deine Finger im Spiel. Als Promoter im Hintergrund.«
Schreck schien gelangweilt. »Und wenn? Was ist daran so wichtig?«
Kroll ging auf ihn zu und stützte die Hände auf seinen Schreibtisch. »Goran!«
Der Promoter ließ sich seine Verunsicherung nicht anmerken. »Guter Mann! Brandgefährlich. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Der ist immer noch Soldat, immer noch im Krieg!«
»Ich muss ihn finden!«
»Warum?«
Kroll entschloss sich, nicht lange um den heißen Brei zu reden. Schreck war sicherlich kriminell: Betrug, Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Untreue gehörten zu seinem Tagesgeschäft. Aber außerhalb von diesen finanziellen Aktionen war er sauber. Mord und Totschlag waren nicht seine Welt. »Goran hat heute Morgen eine Frau entführt. Er hält sie gefangen und deshalb wüsste ich gern, wo er ist.«
Schreck drückte seinen Zigarillo hektisch und mit viel zu viel Kraft im überfüllten Aschenbecher aus. Kippen und Asche fielen auf die Platte. Er hatte offensichtlich keinen Anlass, an Krolls Behauptung zu zweifeln, was diesen ein wenig überraschte.
»Der ist doch einfach nur ein Vollidiot. Stark wie ein Bär, aber doof wie Scheiße … wie ein ganzer Eimer voll Scheiße!«
»Wo kann ich ihn finden?«, drängelte Kroll.
Schreck trank einen weiteren Whiskey, was ihn etwas beruhigte. »Warum sollte ich dir das sagen?«
»Glaubst du ernsthaft, du kannst deine Kirmeskampfveranstaltung weitermachen, wenn du einen mittels Fahndung gesuchten Entführer deckst? Ich mache dir den Laden schneller dicht, als du furzen kannst! Also zum letzten Mal: Wo finde ich diesen Goran?«
Schreck gab sich geschlagen. Es war wirklich sinnlos, wegen eines Kämpfers, auch wenn er der Beste war, die Veranstaltung zu riskieren. Er winkte mit beiden Händen ab. »Ihr habt doch diese Brauerei dichtgemacht. Wegen der Scheiße mit dem Trinkwasser!«
»Du meinst die in der Innenstadt!«»Ja, genau die! Wenn ich richtig informiert bin, hat der sich da einquartiert.«
Kroll stützte sich auf dem Schreibtisch ab und beugte sich so weit vor, dass er den whiskeygeschwängerten Atem seines Gegenübers riechen konnte. »Und jetzt hör mir mal gut zu, mein Freund. Wenn dieser Goran gewarnt wird, überprüfe ich als Erstes alle deine Telefonverbindungen, einschließlich Handy. Und wenn ich herauskriegen sollte, dass du mit diesem Arschloch telefoniert hast, bringe ich dich hinter Schloss und Riegel – und das nicht nur für ein paar Tage!«
Schreck starrte gelangweilt Löcher in die Luft. »Glaubst du etwa, ich riskiere wegen diesem Penner meinen Arsch?«
Der Weg von der Plautstraße zur alten Brauerei betrug unter normalen Verkehrsbedingungen ungefähr 20 Minuten mit dem Auto. Kroll setzte das Blaulicht aufs Dach seines Dienstwagens und konnte die Fahrzeit so um einige Minuten abkürzen. Er tastete sämtliche Taschen seiner Kleidung ab, um verärgert festzustellen, dass sein Handy wohl noch in seiner Wohnung lag. In der Aufregung am heutigen Morgen hatte er einfach nicht mehr daran gedacht, das Telefon einzustecken. Kroll fluchte mehrmals lauthals und überlegte für einen Moment, ob er den Umweg über das Präsidium nehmen sollte, um noch einige Kollegen hinzuzuziehen. Er verwarf den Gedanken aber schnell wieder: Auf der einen Seite wollte er keine Zeit verlieren und auf der anderen Seite war es ja keinesfalls sicher, dass
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