Messewalzer
musste, die in den Boden im Erdgeschoss eingelassen waren, denn er verstärkte sich, je näher er ihnen kam. Kroll hatte eine Art Kreuzung erreicht. Der rechte Weg führte ihn zurück zu den Wasserbecken. Er sah in die linke Gasse. Sein Spürsinn befahl ihm, wenigstens noch einen Blick in die Halle zu werfen. Aber war das nicht zu gefährlich? Dieser Goran konnte jeden Moment zurückkommen, wenn er ihn nicht sogar schon beobachtete. Kroll war unbewaffnet und sein Gegner ein gut trainierter Kampfsportler. Er beschloss, die Brauerei zu verlassen und bog rechts ab, um wieder zu den Becken zu gehen.
Auf einem alten Tisch neben dem Braukessel lag Werkzeug. Mehrere Schraubendreher, Zangen, eine Bohrmaschine, zwei Hämmer, Schraubenschlüssel in allen Größen sowie unzählige Schrauben und Muttern. Das Werkzeug war wohl dazu da, einfache Reparaturen an der Brauanlage sofort erledigen zu können. Kroll nahm den größten Schraubenschlüssel, der auf die riesigen Muttern am Kopfende des Kessels zu passen schien, in die Hand. Er war sich sicher, dass der riesige Maulschlüssel mehr wog als seine Hantel, mindestens 12 oder 13 Kilo. Eine brauchbare Waffe.
Er hielt das Werkzeug fest in der rechten Hand und ging zurück. Wieder vorbei an den aufgetürmten Bierkästen, bis zu der Kreuzung, an der er vorhin abgebogen war. Er bewegte sich langsam, bemüht, nicht das geringste Geräusch zu machen. Beim Aufsetzen rollte er die Füße bedächtig von der Ferse zum Ballen ab. Er atmete leise. Seine Augen waren wachsam und tasteten den freien Raum in allen Höhen und Tiefen ab. Ab und zu drehte er sich um. Zum Glück war es nicht dunkel. Das dämmrige Licht, das durch die milchigen Scheiben einfiel, war ausreichend, um sich sicher zu bewegen und die Umgebung wahrnehmen zu können.
An der Kreuzung ging er geradeaus. Die Wände mit den Bierkästen wurden durch Regale abgelöst, die gefüllt waren mit kleinen Fässern. Auf dem Boden, direkt vor seinen Füßen, konnte er einen Punkt in der Größe einer Centmünze erkennen. Im Dämmer war es Kroll auf den ersten Blick jedoch nicht möglich, dessen Farbe näher zu bestimmen. Er beugte sich vor und stützte sich auf einem Knie ab. Der Punkt war bräunlich. Er ertastete ihn vorsichtig mit dem Finger. Jetzt war er sich ganz sicher. Es war verkrustetes Blut. Kroll sah weiter den Gang entlang. Er entdeckte viele dieser Punkte in verschiedenen Größen und Abständen. Jemand hatte tröpfchenweise Blut verloren, wie bei einem Nasenbluten oder einer Schnittwunde, die mit der Hand zugehalten wird. Kroll folgte den Bluttropfen. Nach circa zehn Metern folgten die Punkte auf dem Boden einer Abbiegung nach links. Kroll blieb am Ende des Ganges stehen und umklammerte fest den Schraubenschlüssel. Aufmerksam drehte er seinen Kopf in Richtung der Abbiegung, bis er einen vorsichtigen Blick in den Gang werfen konnte. Außer den Punkten auf dem Boden konnte er nichts erkennen. Das Ende des Ganges lag im Dunkeln, weil in diesem Bereich die Fenster mit Brettern vernagelt waren.
Kroll zuckte zusammen. Er glaubte, ein Geräusch vernommen zu haben. Es war kein deutlicher Laut, eher ein dumpfer Ton. Und wieder. Das Geräusch kam aus dem Dunkeln, das sich vor ihm öffnete. Er ging hastig den Gang entlang. Jetzt nahm er keine Rücksicht mehr auf irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen. Am Ende des Ganges konnte er die Umrisse eines Stahlpfostens ausmachen, der die Decke abstützte. Davor kauerte eine menschliche Gestalt, deren Arme nach hinten gefesselt waren. Kroll erkannte, dass auch die Füße zusammengebunden waren. Liane Mühlenbergs Mund war mit einem breiten, silbernen Isolierband zugeklebt, das jemand mehrfach um ihren Kopf gewickelt hatte. Ihr Kopf hing herunter und lehnte auf der Brust. Sie schien völlig erschöpft zu sein. Kroll vermutete, dass sie nicht genug Luft durch die Nase bekommen hatte, die langsam zugeschwollen war. Er hob ihr Kinn leicht nach oben. Sie schaute ihn abwesend mit einem schläfrigen Blick an. Kroll fand das Ende des Isolierbandes und fetzte es hastig auf. Dabei riss er Liane dicke Haarbüschel heraus, was ihr im Vollbesitz ihrer Kräfte sicherlich sehr wehgetan hätte. Endlich war der Mund freigelegt. Liane schnappte hastig nach Luft, sie schnaufte kräftig aus. Schleim und Blut traten aus beiden Nasenlöchern aus. Kroll beugte sich nach vorne und betrachtete Lianes Hände, die mit mehreren Kabelbindern zusammengeschnürt waren. Er wusste, dass er die Plastikfesseln nicht ohne einen
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