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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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nicht kennen …«
    Die junge Frau lachte. »Erkennst du mich wirklich nicht, Georgie?«
    Ich erkannte weder ihr Gesicht noch ihre Stimme, aber in ihrem Tonfall schwang irgendetwas mit – etwas halb Stichelndes, halb Flehendes –, das mir vertraut vorkam.
    »Es tut mir leid, ich …«
    Die Fremde lachte.
    »Willst du deiner Mutter denn keinen Kuss geben?«, sagte sie.
    Ein halb unterdrücktes ungläubiges Glucksen erklang von der Empfangsdame hinter mir.

    »Das hier ist ein Mietkörper«, erklärte Ruth im Fahrstuhl aufgeregt mit dem Mund der hübschen Blonden. »Eine neue SenSpace-Anwendung. Ist das nicht erstaunlich? Es ist ein …«
    Aber inzwischen hatte ich mir die Sache natürlich selbst zusammengereimt. Ein Mietkörper war ein Roboter oder Syntec, der übers SenSpace-Netz ferngesteuert wurde und von SenSpace-Abonnenten ausgeliehen werden konnte.
    »Ich weiß, was ein Mietkörper ist«, sagte ich kühl. »Bitte stelle mich nie wieder derart bloß.«
    Sie zog einen Schmollmund. »Ich dachte, es würde dich freuen, wenn eine hübsche junge Dame dich zum Mittagessen abholen kommt!«
    Ich antwortete nicht.
    »Ich finde das eine großartige Idee, George. Ich kann ein anderer Mensch sein, ich kann raus auf die Straße und mich amüsieren und trotzdem die ganze Zeit absolut sicher sein.«
    Als wir über die Straße gingen, warf ein junger Mann einen flüchtigen, bewundernden Blick auf Ruths Mietkörper. Ruth kicherte.
    »Außerdem ist es wirklich nett, wenn die Leute einem hinterherschauen.«
    Wir gingen zu einer Snackbar gegenüber von meinem Büro. Ich bestellte Kaffee und Hähnchensandwiches für mich. Ruths Mietkörper bestellte sich einen Kaffee.
    »So etwas auszuleihen muss doch ein Vermögen kosten«, brummte ich, während wir uns setzten.
    Ich erwischte mich dabei, wie ich die wohlgeformten Beine des Mietkörpers betrachtete.
    »Es kostet eine Menge, aber warum sollte man sich das nicht ab und zu leisten? Wie gesagt, es macht Spaß und es ist sicher.«
    »Sicher! Es ist ja wohl nicht so, das Illyria City ein besonders gefährlicher Ort wäre!«
    »Jetzt schon, mit den Bombenanschlägen und alldem. Heute morgen hieß es übrigens in den Nachrichten, dass sie zwei der Attentäter gefasst haben. Kannst du dir vorstellen, dass beide illyrische Bürger waren, keine Squippies? Nicht auszudenken! Illyrier! Senator Kung sagt, dass er mehr Geld in die Doppel-O stecken und ihnen mehr Befugnisse verleihen wird, und außerdem führt er neue, härtere Gesetze ein.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Neue Gesetze, die uns sagen, dass wir nur noch eine bestimmte Meinung haben dürfen. Erinnert mich ziemlich an Amerika oder an die Länder da draußen.«
    Seltsamerweise hatte ich mich schon fast daran gewöhnt, dass dieser Syntec meine Mutter war. Ihr Gesicht, ihr Körper und ihre Stimme waren anders, aber der Geist in der Maschine – die Körpersprache, die Betonung – stammte ganz eindeutig von ihr.
    »Wie dem auch sei, Ruth, wie kommt es, dass du nicht bei der Arbeit bist?«
    Der Mietkörper wandte den Blick ab. »Ach, ich hab den Tag frei.«
    »Letzte Woche hattest du auch frei. Eigentlich dürftest du bloß drei Wochen Urlaub im Jahr haben.«
    »Ich … Na schön, wenn du die Wahrheit wissen willst, George, ich habe meinen Job aufgegeben.«
    »Warum?«
    »Er hat mir keinen Spaß gemacht. Ich brauche das Geld nicht, also dachte ich mir: Was soll’s?«
    Das Geld brauchte sie tatsächlich nicht. Und ich genauso wenig. Mein Vater war ein reicher Mann gewesen.
    Aber Ruths Arbeitsplatz war der einzige Ort, an dem sie überhaupt mit anderen Menschen in Berührung kam, der einzige Ort außerhalb unserer Wohnung, wo sie überhaupt noch hinging.
    »Was willst du mit deiner Zeit anfangen? Den ganzen Tag im SenSpace rumgammeln, bis du Magengeschwüre kriegst?«
    In diesem Moment wurde mir klar, dass sie eigentlich sogar jetzt gerade in ihrem SenSpace-Anzug in unserer Wohnung baumelte. Die Tür zu ihrem SenSpace-Raum war geschlossen. Die Wohnungstür war dreimal abgeschlossen. Sie war absolut allein, drei Kilometer entfernt am anderen Ende der Stadt, und machte die Bewegungen und Gesten, die dieser Syntec wirklichkeitsgetreu nachahmte, während eine Brille vor ihren Augen die Bilder von den Kameraaugen des Mietkörpers auf ihre Netzhaut projizierte.
    »Was ist daran falsch, sich viel im SenSpace aufzuhalten, wenn es einem dort gefällt?«, fragte sie durch den Mund des Mietkörpers. »Neulich Abend kam im Fernsehen eine

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