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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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uns, und Marija schwieg, bis er vorbei war.
    »Man weiß nie, in welche Richtung sie schauen, nicht wahr?«, sagte sie. »Oder was sie alles hören.«
    Sie machte eine kleine wegwerfende Handbewegung. Ihr Gesicht war wunderbar ausdrucksstark.
    »Aber die Sache mit Kungs neuen Plänen ist übel, findest du nicht auch?«, fuhr sie fort. »Man fragt sich, was um alles in der Welt wir überhaupt noch dürfen.«
    Stirnrunzelnd warf sie dem Polizeiroboter einen Blick hinterher, der sich langsam entfernte. Dann lächelte sie mich an.
    »Hör mal, ich freue mich echt, dich zu sehen. Ich wollte gerade mit der U-Bahn nach Hause. Wenn du ein bisschen Zeit hast, könntest du doch mitkommen und was mit mir trinken.«

    In ihrer kleinen Wohnung in Newton schenkte Marija mir ein Glas Rotwein ein.
    »Ja, ich habe auch darüber nachgedacht, aus der Liga auszusteigen«, sagte sie.
    »Was ist mit Paul?«, fragte ich.
    Sie lächelte ironisch. »Er ist nach Brasilien zurück«, erwiderte sie knapp.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Wechselfälle menschlicher Beziehungen waren für mich ein Buch mit sieben Siegeln.
    Marija lehnte sich gegen das große Kissen in ihrem Rücken.
    »Genauer gesagt haben dort die ganze Zeit eine Frau und drei Kinder auf ihn gewartet«, fuhr sie fort, »die er mir gegenüber nachlässigerweise zu erwähnen vergaß.«
    »Oh.«
    Ich kippte meinen Wein hinunter.
    Sie lächelte. »Offenbar hast du ziemlichen Durst. Möchtest du noch mehr?«
    Ich nickte.
    »Ich schätze, in der Liga wird wirklich bloß geredet«, meinte sie seufzend. »Aber es muss eine Möglichkeit geben, sich gegen diese … diese erstickende Oberflächlichkeit zur Wehr zu setzen. Weißt du, was ich meine? Es fühlt sich an, als wollten Ullman und Kung und all diese Leute uns zu einem bloß zweidimensionalen Leben zwingen.«
    Ich nickte.
    »Sie erzählen uns, dass nur das wahr ist, was man messen kann«, erklärte sie, »aber wenn man sich etwas vorstellen oder davon träumen kann, dann existiert es doch wohl auch in gewisser Weise, oder? Weißt du, was ich meine? Vielleicht gibt es in Wirklichkeit kein wahrhaft selbstloses Handeln, aber der Gedanke der Selbstlosigkeit existiert doch trotzdem, oder? In diesem Sinne existiert sogar so etwas wie das Paradies, der Sündenfall oder Shivas großer Tanz.«
    Sie war in Auckland aufgewachsen, in einer altmodischen »westlichen« Region, in der die Atheisten Seite an Seite mit Gläubigen aller Art lebten. Dagegen hatte ich seit jeher in Illyrien gelebt und praktisch keine Vorstellung davon, worüber sie redete. Und doch trafen ihre Worte bei mir einen Nerv. Ich sehnte mich ebenso wie sie nach einer offeneren, freieren Welt.
    »Na schön, vielleicht gibt es sie nicht in der gleichen Weise, wie es diesen Tisch gibt«, sagte Marija, »aber trotzdem sind sie in irgendeiner Weise real. Vielleicht sind sie in mancher Hinsicht sogar realer … «
    Sie lächelte.
    »Träumst du manchmal auch, dass du dich in einem Haus befindest und auf der Suche nach einem bestimmten Zimmer bist, das fehlt?«, fragte sie.
    »Ja! Tue ich!« Ich schrie ihr fast ins Gesicht – ich war so überrascht davon, festzustellen, dass ein anderer Mensch an etwas derart Privatem teilhaben konnte.
    »Wirklich? Genau den Traum?«
    Einen Moment lang musterte sie aufmerksam mein Gesicht, dann nickte sie. Zu meiner Überraschung gelang es mir, den Blick nicht abzuwenden.
    »Es ist schön, wenn man jemanden trifft, der die gleichen Träume hat«, bemerkte sie.
    Das war es.
    »Ich glaube, Ullman und Kung haben Illyrien zu einem Haus gemacht, in dem die meisten Zimmer verschlossen sind«, fügte sie hinzu. »Nicht die Wissenschaft ist schuld, sondern eine gewisse Engstirnigkeit … Ich habe das Gefühl, dass ich mit Gewalt ausbrechen muss, wenn ich nicht ersticken will. Weißt du, was ich meine?«
    Ich nickte.
    »Manchmal glaube ich, dass die AMG eigentlich das Richtige will«, sagte Marija zögerlich und in sehr viel vorsichtigerem Tonfall. Ich sah, dass sie genau auf meine Reaktion achtete. Immerhin war die AMG eine gewalttätige, staatsfeindliche Organisation, und ihre Angehörigen wurden rücksichtslos verfolgt.
    »Ja, sie versuchen wohl, mit Hilfe von Bomben auszubrechen. Oder sogar den Weg für uns alle frei zu machen.«
    »Genau – sie weigern sich, die Regeln zu akzeptieren, selbst wenn das Gewalt zur Folge hat. Und vielleicht können die Menschen derartige Regeln letztlich nicht akzeptieren. Vielleicht war das einer der

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