Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Gründe für die Reaktion.«
»Anscheinend können nicht mal die Roboter sie akzeptieren«, entgegnete ich.
»Ja! Nicht mal die Roboter können mit nur zwei Dimensionen leben.«
Erneut betrachtete sie mein Gesicht, diesmal neugierig, als hätte sie etwas Unerwartetes entdeckt …
»Du hast wirklich Mitleid mit diesen Robotern, nicht wahr? Du verstehst sie irgendwie. Ich glaube, ich verstehe sie auch. Wahrscheinlich bin ich deshalb bei dieser bescheuerten Arbeit für die ICC geblieben.«
Sie lachte.
»He, das ist interessant! Hast du Hunger, George? Wie wär’s, wenn wir was essen gehen oder so?«
Die Sache war seltsam. Hier war ich, ein von der Welt abgeschotteter junger Mann, der endlich aus sich herausgehen wollte. Und da war Marija, eine sehr attraktive junge Frau, die ich seit jeher sehr gemocht hatte und die mich nun dazu einlud, den Abend mit ihr zu verbringen. Ich befand mich in einer Situation, die ich mir ersehnt hatte und von der ich befürchtet hatte, dass sie niemals eintreten würde. Man sollte meinen, dass ich ihr Angebot überglücklich angenommen hätte.
Doch stattdessen erstarrte plötzlich etwas in meinem Innern. Ich spürte eine Welle der Abscheu, die wie aus dem Nichts kam, Abscheu vor Marija, Abscheu davor, zusammen zu sein, Abscheu vor Freundschaft und vorm Reden und vorm Flirten. Mit einem Mal wurde mir die biologische Dimension der Sache sehr bewusst: mein Körper, ihr Körper, Hormone, Gelüste … nichts als dumme biologische Gelüste, die sich als geselliges Spielchen tarnten.
»Nein. Nein, tut mir leid«, sagte ich. »Ich muss noch wo hin.«
»Ach, schade«, gab Marija mit einem enttäuschten Schulterzucken zurück.
Sie begann die leeren Weingläser abzuräumen.
»Weißt du, wenn ich jemanden als unbeschriebenes Blatt bezeichnen müsste, dann sicherlich dich. Es wäre schön gewesen, dich näher kennenzulernen.«
Doch ich war bereits aufgestanden und zog meine Jacke an. Natürlich hatte ich bloß Angst. Die Angst hatte mich am ganzen Leib gepackt. Bald würde sie es bemerken, und die Vorstellung gefiel mir überhaupt nicht. Ich wollte nicht, dass sie mich als ängstliches Wesen betrachtete.
Wahrscheinlich platzte ich deshalb mit einer verblüffenden Frage heraus: »Ich weiß ja nicht, kennst du nicht einen Weg, zur AMG Kontakt aufzunehmen?«
Sie pfiff.
»Das ist aber gefährlich, George. Ich meine, wenn die von der Doppel-O jemanden schnappen …«
Sie musste den Satz nicht beenden. Ohne dass ich es wollte, trat mir ein klares Bild vor Augen. Ich sah einen weißen, fensterlosen, hell erleuchteten Raum tief unter der Erde, in dem ein Gefangener saß, der nie wieder das Tageslicht erblicken würde und der schrie und schrie.
»Ich weiß«, entgegnete ich.
»Tja, ich kenne jemanden, der jemanden kennt«, meinte Marija. »Vielleicht kann ich dafür sorgen, dass man sich mit dir in Verbindung setzt.«
»Das fände ich gut«, antwortete ich.
Marija lächelte und küsste mich zu meiner Bestürzung plötzlich.
»Tja«, sagte sie. »Viel Spaß bei der wichtigen Sache, die du vorhast!«
Kapitel 23
I n der U-Bahn war ein verrückter Schwarzer mit zerlumpten Kleidern und gebrochenem Blick.
»Wir sind gefallen!«, rief er. »Wir alle sind in der Finsternis. Finsternis, Finsternis, Finsternis! Hört zu! Wir sehen nicht einmal, wer wir sind! Wir sehen nicht einmal die Gesichter der anderen! Wir begreifen nicht einmal, wie tief wir gefallen sind! O nein, nein, nein! Wir können nicht einmal mehr einen Schimmer von dem wunderbaren Licht weit, weit über uns sehen! Wir leben in dunklen Gängen. Hört mich an, Leute, hört zu! Wir sind wie Maulwürfe, wir sind wie blinde Fische in den finstersten Tiefen der See!«
Als die Bahn abfuhr, warf ich einen Blick aus dem Fenster und beobachtete zwei Männer in Anzügen, die den Schwarzen bei den Armen packten und fortzerrten.
Ich muss verrückt geworden sein, dachte ich, während ich mich neben eine ältere Albanerin setzte. Ich hätte den Abend mit Marija verbringen können. Stattdessen würde ich ihn mit einer Maschine verbringen.
Ich könnte jetzt gleich aussteigen, sagte ich mir, als wir in Newton-Süd hielten. Ich konnte ebenso schnell wieder bei Marija sein, wie ich hierher gebraucht hatte. Ich konnte zurückgehen und ihr sagen, dass meine Verabredung ausgefallen war.
Die Albanerin stand schwer atmend auf, und ein junger Südasiate setzte sich auf ihren Platz. Ich wollte auch aufstehen. Doch etwas hielt mich davon ab.
Die
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