Messias-Maschine: Roman (German Edition)
grüßen.
»Hallöchen, Großpapa … Wie geht’s, Bessy! … Vergiss nicht meinen Briefkasten, ja, Delmont?«
Mit einem zufriedenen Lächeln schaute sie sich zu mir um. Sie schien fast zu erwarten, mich beeindruckt davon zu sehen, wie viele Leute sie kannte.
Nur ein Mensch auf der Straße grüßte uns nicht und wurde auch nicht von Kleine Rose gegrüßt. Es handelte sich um eine blasse Gestalt im weißen Anzug, die sich an uns vorbeischlich und unseren Blicken auswich.
»Wer ist das?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Abonnent. Er ist neulich zwei Häuser weiter eingezogen. Es ist wirklich ein Jammer. Vorher hat dort eine nette, freundliche Familie gewohnt, und jetzt …«
Doch da hellte sich ihre Miene wieder auf. Sie deutete auf ein kleines, von rosafarbenen Rosen bedecktes Haus.
»Da ist es! Das Rosenhäuschen! Wie findest du es?«
Und so zeigte sie mir die gestreifte Tapete im Wohnzimmer, die gelb-weiße Tapete im Flur und die rosafarbene im kuscheligen Schlafzimmer der Kleinen Rose. Ihr Bett mit den flauschigen rosafarbenen und weißen Laken fühlte sich wirklich weich an. Im Zimmer hing ein femininer Duft nach Lavendel und Babypuder.
»Das ist dein Zimmer«, sagte Kleine Rose und zeigte mir ein ekelerregendes Abziehbild des Schlafzimmers eines heranwachsenden Jungen. Ich wollte gerade protestieren, da bimmelte unten ein Telefon.
Ich schaute zu Kleine Rose. Sie kicherte.
»Ja, das ist ein echtes Telefon. Ich bin so viel im SenSpace, deshalb habe ich es so einrichten lassen, dass ich meine Anrufe hier entgegennehmen kann. Gehst du für mich ran?«
Das virtuelle klingelnde Telefon stand im Flur. Die elektronische Projektion meines Arms streckte sich aus und nahm das elektronisch erzeugte Trugbild von der Gabel.
Doch die Stimme am anderen Ende der Leitung war echt und kam aus der Außenwelt.
»Spricht dort George Simling? Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige an. Sie wollen etwas kaufen?«
Es war eine Frauenstimme mit leichtem deutschen Akzent.
»Anzeige? Nein. Da muss wohl ein Irrtum vorliegen.«
»Nein.« Ihr Tonfall vermittelte absolute Gewissheit. »Das ist kein Irrtum. Das versichere ich Ihnen. Sie waren daran interessiert, etwas zu kaufen. Es ist natürlich kein Problem, wenn Sie sich inzwischen anders entschieden haben.«
Die Küchentür im Rosenhäuschen stand offen. Dahinter sah ich durch das Küchenfenster eine elektronische rote Katze, die durch den sonnendurchfluteten, elektronischen Garten spazierte.
»Hören Sie, ich habe wirklich nichts …«
Und mit einem ängstlichen Schaudern begriff ich dann endlich. Das war der Anruf von der AMG.
»Ja, natürlich«, sagte ich. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich bin nach wie vor interessiert.«
»Wer war das?«, fragte Kleine Rose, als ich wieder hochging. Sie hatte verschiedene Vorhänge für ihr Schlafzimmerfenster durchprobiert, durch das man eine idyllische Aussicht hatte. Kinder spielten in tadellos gepflegten Hinterhöfen, und hinter ihnen erstreckten sich die Häuser der Stadt ohne Ende™ bis in weite Ferne.
»Ach, bloß jemand von der Arbeit«, erwiderte ich. »Ich nehme jetzt diesen Helm ab, Ruth. Ich habe Kopfschmerzen. Ich brauche ein bisschen echte Luft.«
Kapitel 26
I ch traf meine AMG-Kontaktperson in einem Café im Mendel-Bezirk, einer relativ armen Gegend, in der hauptsächlich Gastarbeiter wohnten. Gemäß meinen Anweisungen kaufte ich mir einen Kaffee, setzte mich nach draußen, beobachtete die Passanten und versuchte, zu erraten, um wen es sich handeln würde. Sie hatte mir gesagt, dass ich sie Ingrid nennen sollte, und anhand ihrer Stimme und ihres Akzents hatte ich mir in Gedanken ein Bild von ihr gemacht: groß und blond und ziemlich abweisend.
Tatsächlich war sie jedoch klein und dunkelhaarig, und ich nahm sie kaum zur Kenntnis, bis sie sich neben mich setzte. Sie trug eine Sonnenbrille und hatte die Haare zu einem Knoten hochgesteckt. Ohne zu lächeln, schüttelte sie mir die Hand.
»Trink deinen Kaffee aus«, wies sie mich an, »dann bringe ich dich an einen Ort, an dem wir unter uns sind.«
Ich nickte. Ich hatte zwar Angst, aber nicht besonders viel, weil ich eigentlich nicht recht glauben konnte, dass all das wirklich passierte.
»Der Ort, an den ich dich bringen werde«, erklärte sie, »ist ein billiges Hotel. Die Zimmer dort werden tagsüber für gewisse … Verabredungen benutzt.«
Ich brauchte einen Moment, um den Sinn ihrer Worte zu erfassen.
»Aber komm bloß nicht auf
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