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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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über die seltsame Tatsache nach, dass ich im Laufe der letzten Wochen all meine Ersparnisse abgehoben hatte …
    Oder vielleicht hatte er bei der Doppel-O nachgefragt und in Erfahrung gebracht, dass man mich als möglichen AMG-Sympathisanten führte …
    Oder vielleicht hatte das HESVE-Haus mich im Zusammenhang mit Lucys Verschwinden bei der Polizei gemeldet, und man hatte allen Grenzposten meine Personalausweisnummer übermittelt …
    Oder …
    »Vielen Dank, Sir. Könnten Sie bitte den Kofferraum öffnen?«
    »Äh … ja … natürlich …«
    Ich stieg aus und ging hinters Auto. Der Weg kam mir sehr weit vor, so dass ich genug Zeit hatte, jede Einzelheit meines Fluchtplans noch einmal durchzugehen und mir klarzumachen, wie schlampig und dilettantisch ich die Sache angepackt hatte. Es gab so viel, was ich hätte bedenken sollen. Es kam mir vor, als wären mir die schrecklichen Folgen eines Scheiterns bis eben nicht wirklich bewusst gewesen.
    Langsam öffnete ich den Kofferraum. Der Zyklop schaute hinein.
    Da waren zwei Koffer, eine Tasche, ein Teppich – und darunter schaute unverkennbar eine Ecke von Lucys Jeanskleid hervor.
    Eine Lerche zwitscherte am blauen Himmel. Jede Kante, jeder Riss der gewaltigen Kalksteinmauer wurde vom Sonnenlicht scharf hervorgehoben. Die Welt existierte einfach weiter – so wie sie es immer tat.
    »Bitte öffnen Sie diesen Koffer.«
    Es fiel mir nicht leicht, der Anweisung Folge zu leisten. Meine Hände waren so glitschig, dass ich kaum den Verschluss aufkriegte.
    Der Android schaute unter ein T-Shirt.
    »Und diese Tasche.«
    Ich öffnete die Tasche und wartete auf die nächste Anweisung. Die Sonne stand hoch am Himmel. Der Zyklop überlegte sehr bedächtig.
    Nach endlosem Schweigen sprach er erneut. »Danke, Sir, das wäre alles. Ich wünsche eine angenehme Reise.«
    Ich gab mir alle Mühe, locker und lässig zu wirken, als ich den Koffer schloss und die Tasche zuzog. Dabei dankte ich dem Zyklopen wortreich, pries ihn, wünschte ihm ein Dasein frei von Leid und Schmerz … (Das ihn angesichts seiner bevorstehenden Löschung wahrscheinlich wirklich erwartete.)
    Dann nahm ich wieder auf dem Fahrersitz Platz und ließ den Motor an. Langsam hob sich die automatische Schranke …

    »Einen Moment noch, Sir«, rief der menschliche Zollbeamte und trat zum ersten Mal aus dem Schatten seines Häuschens. Ich kurbelte erneut das Fenster herunter. Der Zollbeamte lächelte. Ich schaute ihn an und schluckte.
    »Ihr Gepäck hängt aus dem Kofferraum.«
    »Wie bitte? Ach so, ich verstehe. Vielen Dank.«
    Ich stieg aus, und meine Knie gaben fast unter mir nach, als ich zum zweiten Mal die lange Reise zum Kofferraum antrat. Die Lerche zwitscherte. Etwas glitzerte oben auf dem Grenzwall.
    Aus dem Kofferraum hing das Dreieck aus blauem Jeansstoff. Der Zollbeamte stand daneben, während ich den Kofferraum öffnete, Lucys Kleid hineinschob und ihn anschließend wieder zuknallte. Danach wirbelte ich hastig herum und bedachte ihn mit einem viel zu breiten Lächeln.
    »He!«, sagte der Beamte plötzlich. »Ich kenne Sie! Sie sind doch George Simling, oder? Tja, die Welt ist klein. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Erinnern Sie sich an mich? John Wilson?«
    Ich musterte ihn. Ja, ich erinnerte mich dunkel an ihn. Er hatte sich nicht besonders schlau in der Schule angestellt. In Illyrien bezeichnete man Leute wie ihn abfällig als »aufgewertet« – das waren Illyrier, die die Bürgerrechte aufgrund der akademischen Leistungen ihrer Eltern und nicht aufgrund ihrer eigenen erhalten hatten.
    Ich lächelte schwach. »John. Wie geht’s? Wie klein die Welt doch ist.«
    »Jau. Dieses Land jedenfalls. Gerade ist eine total seltsame Funkmeldung reingekommen. Eine dieser Syntec-Nutten hat sich selbständig gemacht und ist abgehauen. Stell sich einer das vor!«
    »Ja, stell sich einer das vor!«

    Ein Zehn-Dollar-Schein in meinem Ausweis brachte mich problemlos am Grenzposten des Erzbischofs vorbei. Ich konnte mein Glück immer noch nicht recht fassen, während ich der mit Schlaglöchern übersäten Straße hier draußen folgte, die direkt auf den mächtigen Grenzwall zuführte.
    Je näher ich der Felswand kam, desto unüberwindlicher wirkte sie, bis ich mich schließlich fast unmittelbar davor befand. Und dann kam plötzlich eine schmale Bresche in Sicht. Ich fuhr in eine Schlucht ein, die der ruhige kleine Wasserlauf, der noch immer durch sie hindurchplätscherte, mitten durch die gewaltigen

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