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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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wurde, war so etwas verdächtig. Ich kaufte mir ein Auto und lud es nach und nach mit Dingen voll, die ich möglicherweise brauchen würde. Für Lucy kaufte ich Frauenkleider, Bücher und mehrere Kilo Zucker. (Zucker war ihr Treibstoff – Zucker, Eiweiß, Zitronensaft und die Vitamintabletten, mit denen sie ihre organische Haut versorgte.) Täglich suchte ich Lucy auf und bereitete sie auf den Plan vor, den ich geschmiedet hatte.
    Dann, als ich eines Abends mit Ruth zusammen fernsah – eine von diesen öden Gameshows, die sie gerne schaute –, wurde die Sendung für eine Bekanntmachung des Präsidenten unterbrochen.
    »Viele von Ihnen wissen, dass es vor kurzem zu einem tragischen Zwischenfall kam, bei dem ein Mann von einem fehlerhaften selbstentwickelnden Roboter getötet wurde. Es handelt sich um den einzigen bekannten Vorfall dieser Art, und ich habe vollstes Vertrauen in die Segnungen der selbstentwickelnden Kybernetik und in das von meinem schmerzlich vermissten Vorgänger, Professor Ullman, eingeführte Arbeitskräfte-Ersatzprogramm. Um jedoch zu garantieren, dass sich etwas Derartiges nicht wiederholt, und um das volle Vertrauen der Öffentlichkeit in unsere Roboterarbeitskräfte zu gewährleisten, verordne ich folgende neue Sicherheitsbestimmungen. Ab heute werden alle selbstentwickelnden Roboter im Sechsmonatstakt einer vollständigen Löschung unterzogen …«
    »Wie wunderbar!«, seufzte Ruth verträumt. »Wenn einfach alle Erinnerungen ausgelöscht werden und man ganz von vorne anfangen kann, immer und immer wieder …«
    Ich schaltete den Fernseher ab und drehte mich zu ihr um. Die Bekanntmachung bedeutete, dass es Zeit war zu gehen. Wenn man Lucy löschte, würde sie nicht mehr Lucy sein und erneut zu dieser hohlen Maschine werden, als die sie vom Fließband gerollt war. Doch das bedeutete, dass ich Ruth zurücklassen musste. Und mir wurde klar, dass ich ihr nichts davon erzählen konnte. Ich konnte mich in keiner Weise von ihr verabschieden, sie nicht vorwarnen, es ihr nicht erklären.
    »Warum hast du den Fernseher ausgeschaltet, George?«, beschwerte sie sich. »In einer Minute fängt die Show wieder an!«
    »Ich … äh … habe mich gerade gefragt, ob du vielleicht ein Weilchen mit mir in den SenSpace möchtest.«
    Sie lachte.
    »Ich glaube, das hast du noch nie gesagt.« Dann schaute sie mich durchdringend an. »George, du gehst doch nicht weg, oder?«
    »Natürlich nicht, wie kommst du darauf? Das Fernsehen langweilt mich bloß.«
    »Gut, weißt du, ich würde nämlich sterben, wenn du mich jemals verlassen würdest.«

    Später am selben Abend half ich Ruth aus ihrem SenSpace-Anzug und legte sie ins Bett.
    Als ich mir sicher war, dass sie schlief, öffnete ich Schränke und Schubladen und begann, die letzten Sachen für meine Flucht zu packen.

Kapitel 33
    A ls ich mich schließlich in dem wenig hoffnungsvollen Versuch hinlegte, noch etwas Schlaf zu kriegen, versank ich für kurze Zeit in einem Traum. Darin fuhr ich mit dem Bus zum Haus meines Vaters, wobei ich einen Brief in der Hand hielt, den ich auf zahllose Seiten liniertes Papier geschrieben hatte.
    Die Reise war voller Hindernisse. Der erste Bus blieb liegen, der zweite fuhr in die falsche Richtung. Dann verlor ich mein Geld. Ich musste zu Fuß gehen und nahm eine falsche Abzweigung, die mich in eine verwilderte, unwirtliche Berggegend führte.
    Als ich schließlich bei seinem Haus ankam, antwortete niemand auf mein Klopfen. Daraufhin öffnete ich den Briefschlitz, um nach meinem Vater zu rufen. Ein seufzender Laut erklang, als ob der Schlitz die Luft einsaugen würde.
    Ich versuchte, die Tür zu öffnen, und stellte fest, dass sie nicht verschlossen war. Kaum hatte ich die Klinke gedrückt, warf der Wind die Tür auf, zog mich ins Haus und riss mir den Brief aus der Hand. Die Blätter flatterten die Treppe hoch. Als ich ihnen hinterherlief, fiel mir auf, dass sich oben ein Laboratorium befand. Es gab Computer dort, Kabel, Sinuswellen-Monitore, gravitonische Armaturen … und mitten im Zimmer befand sich eine Art Tor. Von ihm schien der Luftzug herzurühren, denn die Blätter meines Briefs flogen darauf zu. Dahinter lag eine andere Welt, eine knochenweiße Ebene, kahl und unwirtlich wie die Mondoberfläche, die die Luft der Erde ansog. Meine Papiere wirbelten über die staubige Ebene. Ich rannte ihnen hinterher. Das Tor verschwand hinter mir in der Ferne und zusammen mit ihm das Labor und die Sonne und die Erde.
    Die Ebene

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