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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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Gehäuse aus Formplastik. Keine Brüste mehr, keine weiche, warme Spalte, die mich willkommen hieß. Die Risskanten ihrer verbliebenen Haut glänzten feucht. Aus baumelnden Schläuchen tröpfelten synthetisches Blut und gelbliche Flüssigkeiten.
    Lucy schien zu einem Entschluss zu gelangen. Sie hob ihre Bibel vom Boden auf, setzte sich ans Fenster und las ruhig weiter.
    »Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf es von dir. Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.«
    Kurz darauf blätterte sie um. Außer dem Plätschern von draußen war kein anderer Laut zu hören.

Kapitel 47
    K leine Rose saß an ihrem Küchentisch und trank mit Sol Gladheim Kaffee. »Weißt du«, sagte sie und schaute aus dem Fenster auf ihren Garten, »mir ist danach, alle roten Rosenbüsche dort abzuschneiden und stattdessen einen kleinen Apfelhain anzulegen. Was meinst du?«
    »Ich glaube, das wäre wirklich hübsch«, erwiderte Mr. Gladheim. »Es wäre schön, dann ab und zu dort draußen zu sitzen. Vielleicht könnte man …«
    Kleine Rose drehte sich überrascht um. Mr. Gladheim war mitten im Satz mit offenem Mund erstarrt.
    »Sol?«
    Ein horizontaler Streifen löste sich seitwärts aus seinem Körper – und verschwand.
    »Sol!«
    Ein weiterer Streifen rutschte zur Seite, und plötzlich waren seine Beine unterhalb der Knie verschwunden.
    »Sol!«
    Sie sprang auf und eilte zu ihm, doch sein Gesicht verschwand. Dann löste sich auch sein restlicher Körper Stück für Stück in horizontalen Streifen auf. Nichts blieb von ihm übrig.
    Kleine Rose rannte ans Fenster.
    Der Garten hatte sich verändert. Alle Änderungen und Verbesserungen, die sie vorgenommen hatte, waren verschwunden. Er war in den Zustand zurückgekehrt, in dem sie ihn bei ihrem Einzug vorgefunden hatte. Und am Zaun stand auf einen Spaten gestützt und in Gestalt eines älteren Herrn namens Mr. Philips der Statist, der vor ihrer Ankunft in ihrem Haus gewohnt hatte, und er unterhielt sich mit ihrem Nachbarn Mr. Topalski.
    »Mr. Topalski!«, rief Kleine Rose, während sie zur Hintertür hinauslief. »Was geht hier vor?«
    Sie wusste, dass es sich bei dem alten Polen um einen Statisten und nicht um einen echten Menschen handelte, aber er war ihr trotzdem immer ein guter Nachbar gewesen. (Nie machte ihm etwas zu viele Umstände. Er war jederzeit dazu bereit, bei ihr mit anzupacken.) Jetzt ließ er sich nicht einmal anmerken, ob er sie gehört hatte. Das Gleiche galt für Mr. Philips. Ihre Stimmen hoben und senkten sich wie bei einer normalen Unterhaltung, aber als Kleine Rose sich ihnen näherte, stellte sie fest, dass sie nur sinnloses Zeug redeten.
    »Plappertratsch, Plappertratsch, Plappertratsch …«, machte Mr. Philips.
    »Plappertratsch, Plappertratsch, Plappertratsch …«, machte Mr. Topalski mit überzeugendem slawischen Akzent.
    Zwei Gärten weiter drehte ein kleiner Junge Runden auf seinem Fahrrad.
    »Jimmy!«, schrie Kleine Rose, »JIMMY!«
    Jimmy nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis.
    Hoch über ihr zogen riesige Schriftzeichen über den Himmel:

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    Arme Kleine Rose. Als sie sich wieder umdrehte, erkannte sie, dass auch ihre Küche sich verändert hatte. Alle Änderungen, die sie vorgenommen hatte – die Kacheln, die Wandfarbe, die Möbel –, waren verschwunden. Die Materialien und Armaturen waren auf die Standardeinstellungen zurückgesetzt worden. Das Haus war einmal mehr identisch mit den Kopien, die sich alle fünf Kilometer im Norden, Süden, Osten und Westen wiederholten.
    »Das ist irgendeine technische Panne«, sagte sie sich, »weiter nichts. Das SenSpace-System ist zeitweilig außer Funktion. Weiter nichts. Das wird sicher gleich behoben sein.«
    Und sie streckte die Hände aus, um ihren SenSpace-Helm abzunehmen.

    Aber es gab natürlich überhaupt keinen Helm. Sie trug gar keinen SenSpace-Anzug, sie befand sich nicht in einem SenSpace-Raum. Und sie hatte keine körperlichen Arme, mit denen sie ihren Helm hätte absetzen können, hätte es einen gegeben. Die Nerven, die einst die Gliedmaßen der fleischlichen Ruth Simling befehligt hatten, waren nun direkt an einen SenSpace-Sender angeschlossen, der wiederum mit dem SenSpace-Netz verbunden war. Die Muskeln, die sie einst gesteuert

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