Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Andreas‹, sagte er zu seinem Freund. ›Ich bin ein Dummkopf. Aber ich bin froh, dass du mir das gesagt hast, denn jetzt kann ich aufhören, an sie zu denken. Ich habe kein Interesse daran, eine Maschine zu lieben!‹
Damit ging er zu seiner Frau und seinen Söhnen nach Hause, wieder im Frieden mit sich selbst und davon überzeugt, dass die Angelegenheit sich damit erledigt hätte. Aber nein – in jener Nacht lag er wach und dachte an Clara und ihre Schönheit und daran, wie leicht er sie haben konnte. Und er lag auch die nächste Nacht wach und die darauf, bis er sich eines Nachts sagte: ›Nun, dann gehe ich eben ein einziges Mal zu ihr. Wenn meine Neugier gestillt ist, kann ich vielleicht aufhören, an sie zu denken.‹
Am nächsten Tag suchte er also Clara auf, gab ihr Geld, ging mit ihr an einen ruhigen Ort und nahm sie. Danach schämte er sich. Der Gedanke daran, seine Frau und seine Söhne betrogen zu haben, war entsetzlich. Noch entsetzlicher war jedoch, dass er sie mit einem Geschöpf betrogen hatte, das noch nicht einmal lebte. Also gelobte er Gott und sich selbst inbrünstig, dass er es nie wieder tun würde. Doch er hielt sein Versprechen nicht. Der Dämon ließ ihn nicht mehr los. Unablässig verzehrte er sich nach Clara, bis er schließlich seine Ehre und seinen Glauben missachtete und erneut zu ihr ging.«
Nikos hielt inne. Die Wirtin kam mit mehr Raki.
»Danach«, fuhr er fort, »war es, als wäre ein Damm gebrochen, und die Fluten waren nicht mehr aufzuhalten. Giorghios ging immer und immer wieder zu der wunderschönen Clara. Er gab all seine Ersparnisse aus und log seiner Frau vor, dass er sie zur sicheren Verwahrung an seinen Vater nach Kreta geschickt hätte. Er lieh sich Geld. Er begann sogar zu stehlen, nur damit er weiter zu dieser mechanischen Puppe gehen und sich an ihren fleischlichen Genüssen erfreuen konnte. Er verhielt sich wie ein Mann, der nach Raki oder Opium süchtig war, nur zehnmal schlimmer. Er opferte alles, um seinen sündhaften Hunger zu stillen, obwohl er wusste, dass es falsch war, obwohl er sich dafür verabscheute und hasste, obwohl es ihn mit Scham und Verzweiflung erfüllte.
›Ich muss aufhören‹, sagte er sich. ›Ich muss aufhören, ehe ich mich und meine Familie zerstöre.‹ Und er wusste, dass ihm das nur auf eine Weise gelingen würde …«
Erneut machte der junge Mann eine dramatische Pause, stürzte ein weiteres Glas Raki hinunter und schaute mit geröteten, glänzenden Augen in die Runde.
»Hört gut zu. Folgendes geschah. Eines Nachts nahm Giorghios einen Meißel aus seiner Werkzeugtasche und schärfte ihn, bis er vorne spitz war. Dann suchte er die Syntec-Frau und ging mit ihr an einen dunklen Ort, an dem sie niemand stören würde. Sie legte sich für ihn hin, und sie war so schön, dass er sich nicht dazu durchringen konnte, das zu tun, was er sich vorgenommen hatte. ›Nur dieses letzte Mal will ich sie noch besitzen!‹, sagte er sich und nahm sie in die Arme. Doch hinterher, als sein Begehren gestillt war, stieg Wut darüber in ihm auf, wie sie ihn versklavt hatte, und da nahm er den Meißel und trieb ihn ihr, wie er es beabsichtigt hatte, tief in die Brust …«
Nikos schaute in die gebannten Mienen, die ihn umgaben.
»Ihr müsst wissen«, erklärte er, »dass der Computer, von dem ein Android gesteuert wird, sich in seiner Brust befindet – dort, wo bei einem Menschen das Herz sitzt. Ist es nicht so, kyrios? «
Ich nickte kraftlos.
»Doch nun hört zu!«, sagte der junge Gastarbeiter, »denn dies ist der traurigste Teil der Geschichte. Als Giorghios sie erstach, floss das Blut aus Claras Wunde – und es war nicht das dünne Rinnsal, das man unter der menschlichen Haut eines Syntec vermutet hätte. Nein, es war echtes, dickflüssiges Blut, das in einem breiten Strom tief aus ihrem Innern hervorsprudelte. ›Du hast mich getötet!‹, flüsterte Clara. ›Von all den Männern, die mich gebrauchen, hätte ich alleine dich lieben können. Und du hast mich getötet!‹
›Aber Clara!‹, rief Giorghios. ›Das wusste ich nicht! Ich dachte, du wärst eine Maschine!‹«
Es donnerte am Himmel, und Nikos wartete, bis das Grollen verhallt war.
»Da lachte Clara«, fuhr er fort. »Noch als ihr Leben verlosch, lachte sie bitterlich. ›Ich bin eine Griechin wie du‹, flüsterte sie. ›Mein Mann hat mich verlassen, und ich muss nicht nur mich selbst ernähren, sondern auch meinen kleinen Jungen und meine kranke alte Mutter, die Medizin
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