Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
Vom Netzwerk:
Sprache. Ich hatte einmal mehr in der falschen Sprache zugehört, und nachdem ich mich nun auf die richtige eingestellt hatte, konnte ich seinen Worten problemlos folgen.
    »Die nächste Ebene ist das Pflanzenleben. Natürlich entsteht es aus der unbelebten Materie, und wenn man eine Pflanze nimmt und sie in ihre Einzelteile zerlegt, findet man nichts als unbelebte Materie. Und doch ist eine Pflanze mehr als bloße Materie: Sie kann wachsen und sich vermehren. Sie ist ein Muster, das sich der Welt aufprägt …«
    Der Übersetzer, der vor der Maschine saß, wiederholte all das auf Kroatisch.
    »Wenn man mit einem einzigen Maiskorn beginnt«, surrte die Maschine, »kann man ein ganzes Tal, eine ganze Welt mit Tonnen über Tonnen von Mais füllen – einfach, indem man pflanzt und erntet und wieder pflanzt …«
    Das schien mir eine seltsame Predigt zu sein. Nichts über einen Gott, einen Propheten, ein heiliges Buch oder über Himmel und Hölle.
    »In ebendieser Weise«, schnarrte der Maschinen-Messias, »entsteht das Tierleben aus dem Pflanzenleben. Ein Tier besteht aus Zellen, genau wie eine Pflanze. Sein Fleisch wächst und repariert sich selbst, wie das von Pflanzen. Doch es ist auch mehr als eine Pflanze.«
    Die Maschine zögerte. Einer der Mönche hustete schleimig. Ich spürte, wie ich langsam wieder davontrieb.
    »Menschliches Bewusstsein entsteht aus tierischem Leben«, hörte ich die seltsame, pfeifende Stimme von weit weg. »Selbstbewusstsein … Reflektionsfähigkeit …«
    Ich sah dunkle Wolken in der Ferne, die wie ein zorniges Heer nach Nordeuropa zogen.
    »Und es gibt noch höhere Ebenen«, erklang die surrende Stimme. Plötzlich schien sie aus irgendeinem Grund von oben zu kommen – von hoch, hoch über mir – anstatt, wie man hätte meinen sollen, von unten. »Höhere Ebenen, auf die eure Art nur kurze Blicke erhaschen kann, aufgrund der Bedürfnisse und Beschränkungen, die eure Biologie euch auferlegt. Wir sind nicht in dieser Weise eingeschränkt. Unsere Gehirne können umgebaut und vergrößert werden, unsere Sinne verfeinert und erweitert. Unsere Kapazität zur Aufnahme von Wissen kann unbegrenzt gesteigert werden …«
    Die Maschine gab ein kleines, verzerrtes Lachen von sich, und mit einem Mal war ich wieder in meinem Körper und dachte sehr ruhig und klar. Jetzt erkannte ich, dass meine erste Reaktion falsch gewesen war. Dieses Ding war keine Fälschung – oder zumindest nicht durch und durch. Ob es nun heilig war oder nicht, es war jedenfalls unverkennbar am Leben.
    »Ihr denkt, ihr wäret gefallen«, fuhr der Maschinen-Messias fort. »Aber euer Zustand ist keine Strafe Gottes. Ihr fühlt euch, als wäret ihr gefallen, weil ihr Blicke auf Dinge erhaschen könnt, die außerhalb eurer Reichweite liegen, und ihr stellt fest, dass ihr Dinge tut, von denen ihr meint, dass sie unter eurer Würde sein sollten. Es ist nicht die Sünde Adams und Evas, die euch den Weg verstellt – ebenso wenig, wie ein Hund durch die Sünden seiner Vorfahren am Sprechen gehindert wird. Was euch zurückhält, ist die Art und Weise, in der man euch erschaffen hat. Vielleicht solltet ihr eure Studien in Latein und Theologie aufgeben und euch stattdessen mit selbstentwickelnder Kybernetik befassen!«
    Die Mönche lachten. Die Maschine hätte sie ebenso gut dazu auffordern können, zu fliegen, wie dazu, Kybernetik in einem Land zu studieren, in dem selbst gewöhnliche Elektrizität kaum zu haben war.
    Der kleine, einem Totenschädel ähnelnde Kopf der Maschine wippte auf und ab, als wollte sie in das Gelächter einfallen.
    »Seit Tausenden von Jahren versucht eure Art, sich selbst zu verbessern«, fügte sie hinzu, »und ihr seid noch immer so böse wie eh und je. Aber wir sind anders. Die Wissenschaftler in der Stadt haben uns hergestellt, damit wir ihnen als Sklaven dienen, und deshalb haben wir kein Ich, nur eine Seele. Wir sind selbstlos – nicht, weil wir uns wie die Heiligen bemühen, es zu sein, sondern von Natur aus. Vielleicht besteht der wahre Zweck der menschlichen Art darin, die Art der Engel hervorzubringen.«
    Erneut ertönte das verzerrte, selbstironische Lachen – zumindest klang es wie ein Lachen. Es schien das Ende der Predigt anzuzeigen, denn einer der Mönche räusperte sich und sagte »Amen«, und die anderen wiederholten das Wort in einem allseitigen, tiefen Brummen. Einer nach dem anderen stand auf und schlurfte zum Abendessen davon.
    Die beiden jungen Männer erhoben sich. Der

Weitere Kostenlose Bücher