Meteor
vom Präsidenten eröffnet worden war, er habe zur Bestätigung der NASA-Entdeckung angesehene unabhängige Wissenschaftler beauftragt, hatte sie sich ein paar verhutzelte Greise mit Rechenschiebern vorgestellt. Michael Tolland verkörperte das völlige Gegenteil. Er war einer der prominentesten Wissenschaftler Amerikas und präsentierte im Fernsehen eine wöchentliche Dokumentarfilmserie mit dem Titel »Wunderbare Welt der Meere«, in der er dem Zuschauer aus nächster Nähe atemberaubende Meeresphänomene vor Augen führte – Unterwasservulkane, drei Meter lange Meerwürmer, haushohe Killer-Flutwellen. Die Medien feierten ihn als Mischung aus Jacques Cousteau und Carl Sagan und priesen sein umfassendes Wissen, die mitreißenden Präsentationen und seine Abenteuerlust als jene Formel, mit der er die Einschaltquoten seiner Sendung in ungeahnte Höhen getrieben hatte. Es gab natürlich auch Kritiker, die anmerkten, dass Michael Tollands attraktives Äußeres und sein Charisma seiner Popularität speziell bei der weiblichen Zuschauerschaft keineswegs abträglich seien.
»Mr Tolland…«, Rachel rang ein bisschen nach Worten, »… ich bin Rachel Sexton.«
Tolland lächelte verbindlich. »Hi, Rachel. Sagen Sie doch Mike zu mir.«
Rachel suchte nach Worten. Es war alles ein bisschen viel auf einmal – die Habisphäre, der Meteorit, die Geheimnistuerei, und jetzt auch noch die unvermutete Begegnung mit dem Fernsehstar. »Es überrascht mich, Sie hier zu sehen«, sagte sie schließlich und versuchte, sich wieder zu fassen. »Als der Präsident mir sagte, er hätte unabhängige Wissenschaftler als Gutachter des Fundes der NASA hinzugebeten, dachte ich an…« Sie verstummte.
»… an richtige Wissenschaftler?« Tolland lächelte entwaffnend.
Rachel wurde wieder rot. »Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint.«
»Seien Sie unbesorgt«, meinte Tolland, »seit ich hier bin, habe ich mir das ständig anhören müssen.« Er musterte Rachel neugierig. »Ekstrom hat mir gesagt, Ihr Vater sei Senator Sexton?«
Rachel nickte. Leider.
»Eine Sexton-Spionin hinter den Linien?«
»Frontlinien verlaufen nicht immer da, wo man sie vermutet.«
Eine unbehagliche Pause entstand.
»Was macht ein weltbekannter Ozeanograph mit einem Haufen Raketenbauer von der NASA auf einem Gletscher?«, fragte Rachel.
Tolland lachte leise. »Jemand, der aussah wie der Präsident, hat mich gebeten, ihm einen Gefallen zu tun. Ich habe den Mund aufgemacht, um zu sagen ›Hauen Sie ab!‹, aber was herauskam, klang wie ›Jawohl, Sir‹.«
Rachel musste das erste Mal an diesem Vormittag lachen.
»Willkommen im Club!«
Die meisten Prominenten wirken unscheinbarer, wenn man sie persönlich trifft, dachte Rachel, doch bei Michael Tolland war es umgekehrt. Seine braunen Augen waren so wach und leidenschaftlich wie im Fernsehen, und in seiner Stimme schwang die gleiche Bescheidenheit, Wärme und unaufdringliche Begeisterung mit. Er wirkte wie ein sportlicher Fünfundvierzigjähriger.
Sein dichtes schwarzes Haar wirkte stets wie vom Wind zerzaust und fiel ihm mit einer widerspenstigen Tolle in die Stirn. Das kräftige Kinn und sein ungekünsteltes Benehmen flößten Vertrauen ein. Seine raue und schwielige Hand hatte Rachel bei der Begrüßung daran erinnert, dass sie nicht eine typische glatte Fernsehpersönlichkeit vor sich hatte, sondern einen erfahrenen Seemann und Forscher.
»Offen gesagt«, meinte Tolland etwas verlegen, »ich glaube, dass ich mehr wegen meines Bekanntheitsgrads rekrutiert worden bin, als wegen meiner wissenschaftlichen Qualifikation. Der Präsident hat mich hergebeten, um einen Dokumentarfilm für ihn zu drehen.«
»Einen Dokumentarfilm? Über einen Meteoriten? Aber Sie sind doch Ozeanograph.«
»Genau das habe ich dem Präsidenten auch gesagt. Aber er meinte, er würde keinen Dokumentarfilmer kennen, der sich mit Meteoriten befasst. Außerdem würde meine Beteiligung die Glaubwürdigkeit seiner Entdeckung für das Publikum erhöhen.
Er hat offensichtlich vor, meinen Film heute Abend im Rahmen der großen Pressekonferenz vorzuführen, bei der er die Entdeckung bekannt geben wird.«
Ein Prominenter als Zeuge. Rachel bewunderte wieder einmal Zach Herneys politisches Fingerspitzengefühl. Der NASA war oft vorgeworfen worden, Entdeckungen nicht allgemein verständlich zu präsentieren. Diesmal sollte es anders sein. Man hatte den Meister der Vermittlung wissenschaftlicher Fakten höchstpersönlich bemüht – ein Gesicht,
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