Meteor
sich hinein. Anscheinend hatte er Corkys Inszenierung von der Ankunft des Kometen auf Ellesmere Island schon einmal miterleben dürfen.
Corky hielt die Probe etwas niedriger. »Unser Meteorit nähert sich der Erde… kommt immer näher… wird von der Schwerkraft eingefangen und beschleunigt… beschleunigt weiter…«
Rachel schaute gebannt zu, wie Corky die Geschwindigkeit der Probe auf ihrer Bahn erhöhte, um die Beschleunigung durch die Erdanziehung darzustellen.
»Inzwischen bewegt er sich sehr schnell, mit über sechzehn Kilometern pro Sekunde – knapp zehntausend Kilometer pro Stunde. Hundertfünfunddreißig Kilometer über der Erde beginnt der Komet die Reibung der Erdatmosphäre zu spüren.« Mit heftigem Schütteln führte Corky die Probe etwas näher an den eisigen Grund. »Wenn er auf einhundert Kilometer Höhe gefallen ist, beginnt er zu glühen. Die Atmosphäre wird immer dichter, die Reibung erreicht unglaubliche Werte! An der Oberfläche des Meteoriten schmelzen Materiepartikel, und die Luft beginnt zu leuchten… zu brennen .« Corky ließ brutzelnde und zischende Klangeffekte ertönen. »Jetzt ist er an der Achtzig-Kilometer-Marke vorbeigestürzt. Das Äußere hat sich auf über achtzehnhundert Grad Celsius aufgeheizt.«
Staunend beobachtete Rachel den Astrophysiker.
»Sechzig Kilometer!« Corkys Stimme überschlug sich.
»Unser Meteorit trifft auf dichtere Luftschichten. Die Luft ist zu dick! Er wird brutal abgebremst – mit einer Verzögerungskraft von mehr als dem Dreihundertfachen der Erdanziehung!«
Corky verzögerte dramatisch das Niedergehen der Probe in seiner Hand. »Der Meteorit kühlt ab und hört schlagartig zu glühen auf. Er ist jetzt in der dunklen Flugphase. Seine Oberfläche verlässt den flüssigen Zustand und erhärtet zur verkohlten Schmelzrinde.«
Corky kniete sich aufs Eis, um den Einschlag auf der Erde darzubieten, den Gnadenstoß. Rachel hörte Tolland aufstöhnen.
»Und jetzt rast unser großer Meteorit durch die untere Atmosphäre…« Auf den Knien führte Corky den Meteoriten auf einer schwach gekrümmten Bahn weiter nach unten. »Er fliegt auf das Eismeer zu… auf einer flachen Bahn… verliert an Höhe… fast sieht es so aus, als würde er vom Eismeer wieder abprallen… er stürzt weiter… und…«
Corky setzte die Probe aufs Eis.
»Rumms!«
Rachel sprang auf.
»Der Einschlag ist verheerend. Der Meteorit explodiert!
Bruchstücke fliegen davon, schleudern und hüpfen übers Meer.«
Corky ließ die Probe in Zeitlupe über einen imaginären Ozean Rachels Füßen entgegenpoltern. »Ein Bruchstück trudelt Ellesmere Island entgegen…« Er schob die Probe vor Rachels Zehen.
»Es springt aus dem Meer und pflügt aufs Land.« Corky schob die Probe über die Kappe von Rachels Schuh die Schnürung hinauf und ließ sie am Rist zur Ruhe kommen. »Zu guter Letzt bleibt der Meteorit hoch oben auf dem Milnegletscher liegen, wo er rasch von Schnee und Eis bedeckt und vor der Erosion durch Witterungseinflüsse geschützt wird.« Corky erhob sich und lächelte.
Rachel war der Mund offen stehen geblieben. »Ich muss schon sagen, Dr. Marlinson, diese Erklärung war ganz außerordentlich…«
»Erhellend?«, erkundigte sich Corky.
Rachel lächelte. »Genau das richtige Wort.«
Corky gab Rachel den Meteoriten zurück. »Sehen Sie sich einmal den Querschnitt an.«
Rachel betrachtete das Schnittbild, konnte aber nichts Auffälliges erkennen.
»Sie müssen den Schliff schräg ins Licht halten«, sagte Tolland.
Seine Stimme war warm und einfühlsam. »Schauen Sie ganz genau hin.«
Rachel hielt sich den Brocken ganz nah vor die Augen und neigte ihn gegen das aus der Kuppel reflektierte helle Halogenlicht. Jetzt sah sie es – kleine metallische Kügelchen glitzerten auf der angeschliffenen Steinoberfläche. Wie winzige Quecksilbertröpfchen von ungefähr einem Millimeter Durchmesser waren sie zu Dutzenden über den Querschnitt verteilt.
»Diese kleinen Einschlüsse nennt man ›Chondren‹«, sagte Corky. »Sie kommen ausschließlich in Meteoriten vor.«
Rachel beäugte die Körnchen. »So etwas habe ich noch nie in einem irdischen Stein gesehen.«
»Das werden Sie auch nicht«, erklärte Corky. »Chondren sind eine geologische Erscheinung, die auf der Erde nicht vorkommt.
Manche Chondren sind ungeheuer alt und bestehen möglicherweise aus der allerersten Materie, die sich in unserem Universum gebildet hat. Andere – wie die, die Sie in der Hand halten –
Weitere Kostenlose Bücher