Meteor
den Meteoriten flüssig vorgetragen. Während sie noch sprach, konnte sie den Gesichtsausdruck ihrer Zuhörer von Skepsis über Hoffnung in Begeisterung umschlagen sehen.
»Außerirdisches Leben!«, hörte sie jemanden ausrufen. »Wisst ihr, was das heißt?«
»Ja, das heißt, dass wir die Wahl gewinnen!«, rief jemand anders.
Während Rachel auf den Medienbereich zuging und sich die bevorstehende Ankündigung vorstellte, fragte sie sich unwillkürlich, ob ihr Vater den Keulenhieb des Präsidenten verdient hatte, der ihn völlig ungedeckt treffen und seiner Kampagne mit einem einzigen Schlag den Garaus machen würde.
Die Antwort konnte nur Ja lauten.
Wenn Rachel Sexton Mitleid mit ihrem Vater bekam, brauchte sie bloß an ihre Mutter zu denken. Der Schmerz und die Beschämung, die ihr Vater über sie gebracht hatte, waren unverzeihlich… sein ewiges verspätetes Nachhausekommen, mit hochmütigem Gesicht und dem Duft von Parfüm am Revers, sein heuchlerisches religiöses Getue, mit dem er sich tarnte, während er log und betrog, was das Zeug hielt, in dem sicheren Wissen, dass Katherine ihn niemals verlassen würde.
Jawohl, sagte sie sich, Senator Sexton wird genau das bekommen, was er verdient.
Im Medienbereich ging es hoch her. Jeder hielt eine Dose Bier in der Hand. Rachel kam sich vor wie auf einer Studentenfete.
Sie fragte sich, wo Michael Tolland steckte.
Corky Marlinson stand plötzlich neben ihr. »Sie vermissen Mike?«
Rachel wurde verlegen. »Ach nein, ich wüsste nur gern…«
Corky schüttelte mit gespieltem Unwillen den Kopf.
»Hab ich’s mir doch gedacht! Mike ist gerade weg. Ich glaube, er wollte sich ein bisschen aufs Ohr legen.« Er spähte in die düstere Kuppel. »Aber ich glaube, Sie haben Glück.« Er knuffte Rachel. »Mike gerät jedes Mal in Verzückung, wenn er Wasser sieht«, sagte er und deutete ins Dunkel.
Rachel folgte der Richtung seines ausgestreckten Zeigefingers, der in die Mitte der Kuppel wies. Michael Tolland stand dort und starrte ins Wasser des Bergungslochs.
»Was macht er denn da?«, wunderte sich Rachel. »Da ist es nicht ganz ungefährlich.«
»Vielleicht muss er mal pinkeln. Wollen wir ihn reinschubsen?«
Rachel und Corky gingen zum Loch hinüber.
»He, Wassermann, Badehose vergessen?«, rief Corky im Näherkommen.
Tolland drehte sich um. In der Düsternis sah Rachel sein wie von unten seltsam angestrahltes Gesicht. Er blickte sehr ernst.
»Mike, ist alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt.
»Nicht unbedingt.« Tolland wies aufs Wasser.
Corky stieg über die Pylonen und stellte sich neben Tolland an den Rand des Eislochs. Beim ersten Blick ins Wasser schien ihn sein Übermut augenblicklich zu verlassen. Rachel trat zu den beiden Männern. Überrascht sah sie auf der Wasseroberfläche blaugrüne Lichtkleckse schimmern. Sie flackerten wie winzige Neonröhren. Es sah wunderschön aus. Tolland ergriff einen kleinen Eisbrocken und warf ihn ins Wasser. Ein grünlich phosphoreszierender Strudel wallte an der Einschlagstelle auf.
»Mike, bitte, sag mir, dass du weißt, was das ist«, sagte Corky unbehaglich.
Tolland legte die Stirn in Falten. »Ich weiß verdammt genau, was das ist«, sagte er. »Aber es würde mich brennend interessieren, was es hier zu suchen hat.«
39
Wir haben hier Flagellaten«, sagte Tolland mit unverwandtem Blick in das lumineszierende Wasser.
»Flatulenzen?«, flachste Corky. »Du vielleicht.«
Rachel spürte, dass Tolland nicht nach Scherzen zumute war.
»Ich weiß nicht, wie es zu erklären ist«, meinte Tolland, »aber irgendwie sind biolumineszente Dinoflagellaten in dieses Wasser gelangt.«
»Bio – was?«, erkundigte sich Rachel. Geht es auch ohne Wissenschafts-Chinesisch?
»Einzelliges Plankton, das durch katalytische Oxidation einen Leuchtstoff namens Luziferin erzeugt.«
Das soll kein Fachchinesisch gewesen sein?
Tolland stieß die Luft aus. »Corky, ist es irgendwie denkbar, dass der Meteorit lebende Organismen enthalten hat?«
Corky lachte laut auf. »Mach keine Witze, Mike!«
»Ich mache keine Witze.«
»Völlig ausgeschlossen! Und glaub mir – hätte die NASA nur den leisesten Verdacht gehabt, dass sich in diesem Stein lebendige extraterrestrische Organismen befinden, hätte sie ihn niemals ins Freie und an die Luft befördert.«
Tolland sah nicht überzeugt aus. Er war einerseits zwar erleichtert, andererseits tat sich nun ein noch größeres Geheimnis auf.
»Ohne Mikroskop kann ich nichts Genaues
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