Meteor
fand. Ich muss den Chef unbedingt sofort sprechen.«
»Da müssen Sie sich bis morgen gedulden. Er ist in Westbroke.«
Sextons Washingtoner Wohnung befand sich im Westbroke Apartmentgebäude. »Dort hab ich es schon versucht, aber er nimmt nicht ab«, sagte Gabrielle.
»Er hat für heute Abend ein P.E. eingetragen«, sagte die Sekretärin. »Er ist schon ziemlich früh weg.«
Gabrielle runzelte die Stirn. Persönliches Event. Vor lauter Aufregung hatte sie gar nicht daran gedacht. Sexton hatte sich einen ruhigen Abend zu Hause gegönnt und wollte nicht gestört werden. Er war sehr eigen mit seinen P.-E.-Terminen. Ich will von keinem etwas hören, es sei denn, das Haus steht in Flammen, pflegte er immer zu sagen. Gabrielle war allerdings der Ansicht, dass Sextons Haus lichterloh in Flammen stand. »Sie müssen unbedingt versuchen, ihn an die Strippe zu bekommen«, sagte sie zu der Sekretärin.
»Das geht nicht.«
»Es ist sehr dringend! Ich muss unbedingt…«
»Es geht wirklich nicht«, sagte die Sekretärin. »Er hat mir beim Hinausgehen seinen Piepser auf den Schreibtisch geknallt und nachdrücklich gesagt, dass er heute den ganzen Abend ungestört bleiben möchte. Er war sehr bestimmt.«
Sie machte eine kleine Pause. »Bestimmter noch als sonst.«
Mist. »Okay, danke.« Gabrielle legte auf.
»Nächste Station L’Enfant Plaza«, verkündete der Lautsprecher im Waggon, »Anschlüsse in alle Richtungen.«
Gabrielle schloss die Augen. Im Ansturm der verheerenden Bilder versuchte sie, klaren Kopf zu bewahren. Die peinlichen Fotos von ihr und dem Senator… der Stapel Dokumente, die nahe legten, dass Sexton Bestechungsgelder nahm… Gabrielle hatte immer noch Marjorie Tenchs Raucherstimme im Ohr. Heute abend um acht liegt die Erklärung auf meinem Schreibtisch.
Während die U-Bahn mit quietschenden Bremsen in die Station einfuhr, versuchte Gabrielle sich die Reaktion des Senators vorzustellen, falls die Fotos in der Presse erschienen. Der Gedanke, der ihr zuerst durch den Kopf schoss, schockierte und beschämte sie.
Er würde alles abstreiten.
War das wirklich ihre Einschätzung?
Ja. Sexton würde lügen. Wie ein Weltmeister.
Wenn diese Fotos ohne Gabrielles gleichzeitiges Eingeständnis der Affäre in die Medien gelangten, würde der Senator sie einfach zu einer gemeinen Fälschung erklären.
Schließlich befanden wir uns im Zeitalter der digitalen Fotonachbearbeitung. Jeder, der schon einmal im Internet gesurft hatte, war irgendwann auf Fotos von Prominenten gestoßen, deren Köpfe digital auf einen anderen Körper montiert worden waren, oft auf den Körper von Pornodarstellern bei irgendeiner Schweinerei. Gabrielle hatte schon einmal erlebt, mit welch treuherzigem Blick in die Fernsehkamera der Senator die Affäre absolut glaubwürdig abzustreiten vermochte. Sie zweifelte nicht daran, dass Sexton es fertig brachte, aller Welt einzureden, die Fotos seien ein mieser Versuch, seine Karriere zu zerstören. Sexton würde mit beleidigtem Zorn um sich schlagen, sich vielleicht sogar in Andeutungen ergehen, der Präsident höchstselbst habe die Fälschungen angeordnet.
Kein Wunder, dass das Weiße Haus nicht an die Öffentlichkeit gegangen ist. Die Sache mit den Fotos konnte böse ins Auge gehen. So eindeutig die Bilder waren, sie bewiesen gar nichts.
Gabrielle spürte plötzlich einen Hoffnungsschimmer.
Marjorie Tenchs rücksichtsloser Überfall hatte einen erschütternd einfachen Hintergrund. Auf einmal lag alles klar auf der Hand. Das Weiße Haus brauchte Gabrielle. Wenn sie sich nicht zu der Affäre bekannte, waren die Fotos wertlos! Allmählich kehrte ihr Selbstvertrauen wieder.
Als der Zug hielt und die Türen aufgingen, öffnete sich ganz hinten in Gabrielles Kopf ebenfalls eine Tür. Ein ermutigender Gedanke nahm Gestalt an.
Vielleicht ist die ganze Geschichte von den Bestechungsgeldern nur eine Lüge?
Was hatte Gabrielle denn wirklich zu Gesicht bekommen?
Wieder nichts Eindeutiges – ein paar Fotokopien von Bankbelegen, ein flaues Foto von Sexton in einer Tiefgarage. Das alles konnten Fälschungen sein. Hatte Marjorie Tench vielleicht falsche Bankbelege mit echten Sexfotos zusammengekoppelt, in der Hoffnung, Gabrielle würde ihr das ganze Paket als echt abkaufen?
Es wäre eine Spielart des Trittbrettfahrens. In der Politik wurde unentwegt mit diesem Verfahren gearbeitet, um zweifelhafte Ziele zu erreichen.
Sexton hat keinen Dreck am Stecken, beruhigte sich Gabrielle. Das Weiße Haus
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