Meteor
fest!«, rief er und ließ Rachel das Ballonpaket halten, um die Hände freizubekommen. Er hakte den Lastkarabiner des Ballons an einer Öse seines Sicherungsgeschirrs ein, um ihn dann durch eine Öse an Rachels Geschirr zu führen
An der Hüfte zusammengewachsen.
Zwischen ihnen schlängelte sich das Sicherungsseil zu Corky hinüber… und noch einmal zehn Meter weiter zum leeren Karabiner neben Norah Mangor.
Norah hat es erwischt, sagte sich Tolland, da ist nichts mehr zu machen. Die Angreifer hatten sich auf den zappelnden Corky geworfen. Gleich würden sie auch ihm Schnee in den Hals stopfen. Es war allerhöchste Zeit.
Tolland riss Rachel das Mylarpaket aus den Händen und schleuderte es in die stürmische Luft. »Festhalten, es geht los!«
»Mike…?«
Der heulende Sturm fuhr in das Paket. Mit einem Knall entfaltete sich das Mylar und blähte sich, als hätte man die Reißleine eines Fallschirms gezogen. Tolland spürte einen ungeheuren Ruck an seinem Geschirr. Er merkte sofort, dass er die Kraft des Fallwindorkans gewaltig unterschätzt hatte. Im Bruchteil einer Sekunde wurden er und Rachel herumgerissen. Eine wilde Fahrt den Gletscher hinunter begann. Das Seil, das zu Corky führte, wurde straff und riss ihn mit einem zweiten Ruck unter seinen Angreifern heraus. Der Mann auf seiner Brust machte einen Purzelbaum rückwärts. Mit einem markerschütternden Schrei wurde Corky jäh übers Eis gezerrt. Knapp am Schlitten vorbei schwenkte er auf Kiellinie ein. Hinter ihm schlingerte ein Seil…
die Sicherheitsleine, an der Norah Mangor gehangen hatte.
Nichts mehr zu machen.
Wie ein Gewirr aus menschlichen Marionetten riss es die drei Leiber den Gletscher hinunter. Ein paar Eisgeschosse pfiffen vorbei, doch Tolland wusste, dass er den Angreifern vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Die weißen Gestalten verschwammen zu hellen Flecken im Lichtkreis der Fackel. Tolland spürte durch die Polsterung seines Anzug hindurch, dass sie mit gnadenloser Beschleunigung über den eisigen Grund rasten. Die Erleichterung über die geglückte Flucht verflog schnell. Noch höchstens dreieinhalb Kilometer, dann hörte der Milne-Eisschelf mit einem jähen Abbruch abrupt auf – und dann… ein dreißig Meter tiefer Sturz in die tödliche Brandung des Polarmeers.
52
Marjorie Tench lächelte. Sie befand sich auf dem Weg zum eine Etage tiefer gelegenen »Communications Office« des Weißen Hauses, der Nachrichtenstation, in der die im Stock darüber – in der Bulletinabteilung »Communications BullPen« – formulierten Presseverlautbarungen herausgegeben wurden. Das Treffen mit Gabrielle Ashe hatte hervorragend geklappt. Ob es ihr gelungen war, Gabrielle so sehr einzuschüchtern, dass sie ihr die schriftliche Erklärung mit dem Eingeständnis der Affäre liefern würde, stand noch dahin, doch es war auf alle Fälle den Versuch wert gewesen. Gabrielle wäre gut beraten, sich von Sexton abzusetzen, dachte Marjorie. Das arme Mädchen hat ja keine Ahnung, wie schlimm der Senator auf die Nase fallen wird.
In ein paar Stunden würde die Pressekonferenz des Präsidenten mit der Ankündigung des Meteoriten Sexton den Boden unter den Füßen wegreißen. Das war ausgemacht. Gabrielle Ashe, falls sie mitspielte, würde ihm den Fangschuss verpassen. Dann konnte Sexton mit Schimpf und Schande einpacken. Man würde Gabrielles Erklärung am kommenden Morgen zusammen mit der Dokumentation von Sextons früherer gegenteiliger Beteuerung an die Medien weiterleiten.
Ein sauberer Doppeltreffer.
In der Politik genügte es nicht, Wahlen zu gewinnen. Es galt, sie mit fliegenden Fahnen zu gewinnen, den Schwung zu haben, die eigenen Visionen umzusetzen. Im historischen Rückblick hatte kein Präsident, der sich mit einer knappen Mehrheit ins Amt gequetscht hatte, viel bewegen können. Er war vom ersten Moment an geschwächt, und der Kongress schien ihm das immer wieder aufs Butterbrot zu schmieren.
Marjorie Tench war an der Tür des Communications Office angelangt. Sie war vom Kampfgeist beflügelt. Politik war Krieg.
Sie atmete tief durch und schaute auf die Uhr. 18:15. Der erste Schuss konnte abgegeben werden.
Sie trat ein.
Das Communications Office war klein. Diese effizienteste Massenkommunikationsstation der Welt war mit nur fünf Mitarbeitern besetzt, die sich im Augenblick wie startbereite Wettkampfschwimmer über ihre elektronischen Geräte beugten.
Marjorie staunte immer wieder, wie diese kleine Dienststelle in der
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