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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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wissen, warum Sie hier aufgetaucht sind.« »Mein Gott!« Homer wusste nicht mehr, was er diesem Sturkopf noch sagen sollte. »Glauben Sie mir doch. Er lebt. Er sitzt im Affenkäfig an der Borowizkaja. Jedenfalls hoffe ich, dass er da noch ist.«
    »Ich würde Ihnen ja gerne glauben.« Melnik machte eine Pause, zog lange an seiner Zigarette, so dass Homer hören konnte, wie das Filterpapier knisternd verbrannte. »Aber es gibt keine Wunder. Sie reißen damit nur alte Wunden wieder auf. Na schön. Ich habe meine eigene Theorie, wer hinter diesem Spiel steht. Aber um das herauszufinden, haben wir Leute, die eigens dafür ausgebildet sind.« Er griff nach dem Telefonhörer.
    »Warum hat er solche Angst vor Schwarzen?«, sagte Homer plötzlich zu sich selbst, ohne recht zu wissen, warum. Melnik hielt inne. Dann legte er den Hörer vorsichtig wieder auf. Er inhalierte den Rest seiner Papirossa, spie den kurzen Stummel in seinen Aschenbecher und sagte: »Teufel auch, dann roll ich eben zur Borowizkaja.«
    »Ich geh da nicht hin!Lass mich!Lieber bleibe ich hier.« Sascha war überhaupt nicht zu Scherzen aufgelegt, und sie kokettierte auch nicht. Kaum jemanden hatte ihr Vater mehr gehasst als die Roten. Sie hatten ihn entmachtet, ihn gebrochen, aber anstatt ihm einfach das Leben zu nehmen, hatten sie ihn - aus Mitleid oder weil sie sich zu schade waren - zu vielen Jahren Erniedrigung und Qualen verdammt. Ihr Vater hatte den Leuten, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten, nie verziehen; genauso wenig wie jenen, die die Verräter inspiriert und angestachelt sowie mit Waffen und Flugblättern versorgt hatten. Schon allein rote Farbe konnte bei ihm Tobsuchtsanfälle auslösen. Und wenngleich er gegen Ende seines Lebens behauptet hatte, er zürne niemandem mehr und wünsche keine Rache, so hatte Sascha den Eindruck gehabt, dass er damit nur seine eigene Ohnmacht rechtfertigen wollte. »Es ist der einzige Weg«, entgegnete Leonid verwirrt. »Wir wollten doch zur Kiewskaja!Du hast mich in die Irre geführt!«
    »Die Hanse liegt seit Jahrzehnten im Krieg mit der Roten Linie, da konnte ich doch nicht gleich dem Erstbesten sagen, dass wir zu den Kommunisten unterwegs sind. Ich musste mir was einfallen lassen.« »Ohne Lügen geht bei dir wohl gar nichts?« »Das Tor befindet sich hinter der Sportiwnaja, das habe ich immer gesagt. Die Sportiwnaja ist die letzte Station der Roten Linie vor der eingestürzten Metrobrücke. Das kann ich nun mal nicht ändern.« »Und wie sollen wir da bitte hinkommen? Ich habe keine Papiere!« Sie ließ Leonid nicht eine Sekunde aus den Augen. Er lächelte. »Vertrau mir. Man muss nur mit den Menschen reden. Es lebe die Korruption!« Ohne weiter auf ihre Einwände zu hören, packte er Sascha am Handgelenk und zog sie hinter sich her.
    Schon von weitem leuchteten ihnen im Scheinwerferlicht der zweiten Verteidigungslinie die riesigen Banner aus rotem Kattun entgegen, die von der Decke hingen. Der stete Luftzug im Tunnel bewegte sie, so dass Sascha vor sich zwei wogende rote Wasserfälle zu sehen glaubte. Sollte das ein Zeichen sein.
    Wenn es stimmte, was sie über die Linie gehört hatte, so würde man sie beide mit Kugeln durchlöchern, sobald sie in Schussweite waren. Doch Leonid ging ruhig voraus, sein selbstbewusstes Lächeln unentwegt auf den Lippen.
    Etwa dreißig Meter vor dem Grenzposten stieß ihm der grelle Strahl eines Scheinwerfers gegen die Brust. Der Musiker stellte seinen Instrumentenkasten auf den Boden und hob beide Arme. Sascha folgte seinem Beispiel.
    Zwei Kontrollbeamte näherten sich ihnen, verschlafen und erstaunt. Es sah nicht danach aus, als wäre ihnen von dieser Seite der Grenze schon einmal jemand entgegengekommen.
    Diesmal zog Leonid den Ranghöheren der beiden zur Seite, bevor der Mann Sascha nach irgendwelchen Dokumenten fragen konnte. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, klimperte kaum hörbar mit Messing, worauf der Mann besänftigt zurückkehrte. Der Schichtleiter persönlich begleitete sie an allen Posten vorbei, setzte sie sogar auf eine wartende Draisine und befahl den Soldaten, sie zur Frunsenskaja zu fahren.
    Diese legten sich auf die Hebel und setzten keuchend die Draisine in Bewegung. Sascha musterte mit finsterer Miene die Kleider und Gesichter dieser Menschen, die ihr Vater ihr stets als Feinde geschildert hatte. Nichts Besonderes: Wattejacken, verblichene gefleckte Kappen mit aufgesteckten Sternen, eingefallene, knochige Wangen . Sie hatten keine glänzenden Gesichter

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