Metro2033
Hanse - »haben aus dem Markt hier einen Kindergarten gemacht: Dies darfst du nicht, jenes auch nicht ... Egal, holen wir deine Knarre, wir müssen weiter. Auf uns wartet der verfluchte Tunnel.«
Nachdem Artjom sein Sturmgewehr zurückerhalten hatte, setzten sie sich auf eine Steinbank vor dem Eingang zum Südtunnel. Hier herrschte nur noch Zwielicht. Bourbon hatte diesen Platz eigens gewählt, damit sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnten.
»Folgendes, Artjom: Ich kann für mich nicht garantieren. Mir ist noch nie so was passiert, deshalb weiß ich nicht, was ich tun werde, wenn wir auf das Zeugs da stoßen. Dreimal auf Holz geklopft natürlich, aber wenn wir wirklich drauf stoßen ... Also, wenn ich plötzlich zu heulen anfange oder nichts mehr höre, ist das noch in Ordnung. Aber soweit ich das verstehe, wird dort jeder auf andere Weise gaga. Unsere Jungs sind jedenfalls nicht mehr zum Prospekt zurückgekehrt, und ich glaube, wir werden heute noch irgendwo da drin über sie stolpern. Also mach dich auf was gefasst, du bist ja ziemlich zart besaitet! Aber wenn ich anfange durchzudrehen, zu schreien oder dich plötzlich abmurksen will - dann haben wir ein Problem, verstehst du? Ich weiß gar nicht ...« Bourbon dachte kurz nach. »Na gut! Du bist, scheint mir, kein schlechter Kerl. Wirst mir schon nicht in den Rücken schießen. Ich gebe dir meine Kanone, solange wir durch den Tunnel gehen. Aber pass bloß auf!« Er sah Artjom fest in die Augen. »Mach keine Scherze! Mit Humor sieht's bei mir nämlich mau aus.« Bourbon schüttelte einen Stofffetzen aus seinem Rucksack und legte eine abgenutzte Plastiktüte mit einem Karabiner frei. Es war ebenfalls eine Kalaschnikow, jedoch eine Kurzversion wie bei den Grenzern der Hanse, mit abklappbarer Schulterstütze und kurzer, konisch zulaufender Mündung anstelle des langen Schafts mit dem offenen Visier wie bei Artjom. Bourbon nahm das Ersatzmagazin heraus, steckte es zurück in den Rucksack und bedeckte es mit Wäschestücken. Dann gab er Artjom die Waffe. »Nimm. Und pack sie nicht allzu tief ein, vielleicht können wir sie brauchen. Obwohl der Tunnel ja eigentlich ruhig ist ...« Er sprang aufs Gleis. »Also gut, gehen wir! Dann haben wir es schneller hinter uns.«
Es war schrecklich. Als sie von der WDNCh zur Rischskaja gegangen waren, hatte Artjom zwar gewusst, dass alles Mögliche passieren konnte, aber durch diese Tunnel waren jeden Tag Menschen in beide Richtungen unterwegs, und außerdem war ihr Ziel eine bewohnte Station gewesen, wo man sie erwartete. Es fühlte sich einfach nur unangenehm an, wie wenn man einen beleuchteten, ruhigen Ort verlässt. Und selbst auf dem Weg von der Rischskaja zum Prospekt Mira hatte er sich trotz aller Zweifel mit dem Gedanken trösten können, dass vor ihnen eine Station der Hanse lag. Sie hatten gewusst, wohin sie gingen, und hatten gefahrlos Rast machen können.
Aber das hier war einfach schrecklich. Der Tunnel vor ihnen war völlig dunkel, es herrschte eine ungewöhnliche, vollkommene Finsternis, so dicht, dass man sie förmlich spüren konnte. Porös wie ein Schwamm sog sie gierig die Strahlen ihrer Taschenlampe auf, die kaum ausreichten, um ein Stückchen Boden einen Schritt voraus zu beleuchten. Artjom lauschte mit höchster Anspannung, um vielleicht einen ersten Anflug jenes seltsamen, schmerzhaften Geräuschs zu erhaschen, doch vergebens. Die Geräusche durchdrangen dieses Dunkel ebenso zäh und langsam wie das Licht. Selbst Bourbons beschlagene Stiefel, die den ganzen Weg über laut geknallt hatten, klangen in diesem Tunnel schwach und gedämpft.
Plötzlich erschien rechts von ihnen ein Durchbruch in der Wand. Der Strahl der Taschenlampe versank in einem schwarzen Fleck. Artjom begriff nicht gleich, dass hier einfach ein Seitenzweig des Haupttunnels begann, und sah Bourbon fragend an.
»Keine Angst. Das war eine Verbindungsstrecke«, erklärte dieser. »Um von hier direkt zum Ring zu kommen, für die Züge. Die Hanse hat sie aber zugeschüttet. So blöd sind sie nicht, hier einfach einen Tunnel offen zu lassen.«
Daraufhin gingen sie lange schweigend weiter, aber die Stille bedrückte Artjom immer mehr. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und platzte heraus: »Hör mal, Bourbon, stimmt das, dass hier vor Kurzem irgendwelche Arschlöcher eine Karawane überfallen haben?«
Bourbon antwortete nicht gleich. Artjom dachte sogar, er habe die Frage nicht gehört, und wollte sie schon ein zweites Mal stellen, als
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