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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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musste. Schließlich griff er nach Bourbons Handgelenk, um den Puls zu fühlen, wenigstens ein schwaches, unregelmäßiges Pochen ... Nichts! Er packte Bourbon an den Händen und begann den schweren Leib vorwärts zu ziehen, fort von diesem Ort. Ein schweißtreibendes Unterfangen, denn er hatte vergessen, seinem Begleiter den Rucksack abzunehmen.
    Nach einigen Schritten stieß Artjom plötzlich mit dem Fuß gegen etwas Weiches. Zugleich stieg ihm ein ekelerregender, süßlicher Geruch in die Nase. Sofort fiel ihm ein, was Bourbon gesagt hatte. »Wir werden heute noch über sie stolpern.« Artjom versuchte nicht nach unten zu schauen, verdoppelte seine Kräfte - und ließ die Leichen auf den Gleisen hinter sich.
    Immer weiter zog er Bourbon mit sich. Dessen Kopf hing leblos herab, und die kalten, erstarrenden Hände entglitten immer wieder Artjoms verschwitzten Fingern. Doch Artjom achtete nicht darauf, wollte nicht darauf achten, er musste Bourbon von hier fortschaffen, er hatte es versprochen, sie hatten es schließlich abgemacht!
    Allmählich nahm der Lärm ab und verschwand plötzlich ganz. Wieder herrschte Totenstille. Erleichtert sank Artjom auf die Gleise, um Atem zu schöpfen. Bourbon lag reglos neben ihm. Verzweifelt und noch immer keuchend, blickte Artjom in sein bleiches Gesicht. Dann, nach vielleicht fünf Minuten, zwang er sich aufzustehen, nahm Bourbon an den Handgelenken und stolperte rückwärts weiter. Sein Kopf war leer, er war völlig beherrscht von einer rasenden Entschlossenheit, diesen Mann um jeden Preis zur nächsten Station zu schleppen.
    Seine Beine knickten ein, er fiel auf die Schwellen, doch nach ein paar Minuten packte er Bourbon wieder am Kragen und kroch weiter. »Ich schaffe es, ich schaffe es, ichschaffes schaffesschaffes«, murmelte er vor sich hin, obwohl er schon fast nicht mehr daran glaubte. Völlig entkräftet zog er sein Gewehr von der Schulter, schaltete auf Einzelfeuer, richtete den Lauf nach Süden, gab einen Schuss ab und rief: »Ist da jemand?« Doch das Geräusch, das er hörte, war nicht die Stimme eines Menschen, sondern das Huschen von Rattenpfoten und hungriges Fiepen.
    Er wusste nicht, wie lange er so gelegen hatte, mit der einen Hand an Bourbons Kragen, mit der anderen krampfhaft den Griff der Kalaschnikow umklammernd, als ihn plötzlich ein Lichtstrahl blendete. Über ihm stand ein unbekannter, älterer Mann mit Taschenlampe und einem seltsamen Gewehr in der Hand.
    »Mein junger Freund«, sagte der Mann mit einer angenehm vollen Stimme. »Du kannst deinen Begleiter loslassen. Er ist tot wie Ramses der Zweite. Willst du hier bleiben, um dich mit ihm im Himmel zu vereinen, oder soll er noch ein wenig auf dich warten?«
    »Helfen Sie mir, ihn zur nächsten Station zu tragen«, bat Artjom mit schwacher Stimme, eine Hand schützend vor den Augen.
    »Ich fürchte, diesen Gedanken werden wir verwerfen müssen«, erwiderte der Mann betrübt. »Ich bin entschieden dagegen, die Sucharewskaja in eine Gruft zu verwandeln, sie ist ohnedies nicht besonders wohnlich. Außerdem, selbst wenn wir den leblosen Körper deines Freunds dorthin bringen, so wird sich dort kaum jemand finden, der bereit ist, ihm standesgemäß das letzte Geleit zu geben. Ist es denn von Belang, ob dieser Körper hier zerfällt oder an der Station, wenn seine unsterbliche Seele bereits zum Schöpfer aufgefahren ist? Oder in einem anderen Körper Platz gefunden hat, je nach Glaubensrichtung? Obschon alle Religionen hier in gleichem Maße irren.«
    »Ich habe es ihm versprochen«, stöhnte Artjom. »Wir hatten eine Abmachung ...«
    Der Unbekannte runzelte die Stirn. »Mein Freund! Meine Geduld ist allmählich am Ende. Es gehört nicht zu meinen Regeln, den Toten zu helfen, denn es gibt genug Lebende auf der Welt, die der Hilfe bedürfen. Ich kehre jetzt zur Sucharewskaja zurück, ein allzu ausgedehnter Aufenthalt im Tunnel verschlimmert nur mein Rheuma. Wenn du deinen Freund möglichst bald wiedersehen willst, rate ich dir, hier zu bleiben. Die Ratten und andere freundliche Geschöpfe werden dir dabei helfen. Übrigens: Was die rechtliche Seite dieser Frage angeht, so gilt jeglicher Vertrag als beendet, sobald eine der beiden Parteien das Zeitliche segnet, sofern in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist.«
    »Aber wir können ihn doch nicht einfach zurücklassen. Er war doch ein lebendiger Mensch. Sollen wir ihn etwa den Ratten überlassen?«
    Der Mann betrachtete Bourbons Leiche mit skeptischem Blick.

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