Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Ja, das sind sie.«
    »Welche Toten?«
    »All jene, die in der Metro gestorben sind. Deshalb bin ich auch die letzte Verkörperung Dschingis Khans. Es wird keine Wiedergeburten mehr geben. Es geht alles zu Ende, mein Freund. Ich weiß nicht, wie es genau dazu gekommen ist, aber diesmal hat sich die Menschheit übernommen. Es gibt kein Paradies mehr, und auch keine Hölle. Kein Fegefeuer. Wenn die Seele den Körper verlässt - ich hoffe doch, dass du wenigstens an die Unsterblichkeit der Seele glaubst -, findet sie keine Zuflucht mehr. Wie viele Megatonnen brauchte es, um die Noosphäre in Staub aufzulösen? Dabei war sie genauso real wie dieser Teekessel hier. Wie auch immer, wir haben nicht gegeizt - wir haben das Paradies und die Hölle zugleich zerstört. Und nun müssen wir in einer sehr seltsamen Welt leben, einer Welt, in der die Seele nach dem Tod dort bleiben muss, wo sie sich befindet. Verstehst du mich? Du stirbst, aber deine gequälte Seele verwandelt sich nicht mehr, und da es kein Paradies mehr gibt, findet sie keine Ruhe. Sie ist verdammt, dort zu bleiben, wo du dein ganzes Leben verbracht hast - in der Metro. Ich kann dir vielleicht keine exakte theosophische Erklärung geben, warum dies so ist, aber ich weiß genau: In unserer Welt bleibt die Seele nach dem Tod in der Metro. Ziellos irrt sie in diesen unterirdischen Gewölben umher bis zum Ende aller Zeiten. Die Metro vereint in sich das materielle Leben und die beiden Hypostasen des jenseitigen, sowohl den Garten Eden als auch die Unterwelt. Wir leben unter den Seelen der Verstorbenen, sie haben einen dichten Ring um uns geschlossen. All jene, die vom Zug überfahren, erschossen, erstickt, von Monstern gefressen, verbrannt oder eines anderen seltsamen Todes gestorben sind. Ich habe mich lange gefragt, wohin sie verschwinden, warum ihre Präsenz nicht jeden Tag zu spüren ist, warum man diesen leichten, kalten Blick aus der Dunkelheit nicht immer bemerkt. Du weißt, was Tunnelangst ist? Früher dachte ich, dass die Toten uns durch die Tunnel blind hinterher irren, Schritt für Schritt, und dass sie sich in der Dunkelheit auflösen, sobald wir uns umdrehen. Augen nützen da nichts, mit ihnen erkennst du einen Toten nicht. Aber wenn es dir kalt über den Rücken läuft, dir die Haare zu Berge stehen, dein Körper von Schüttelfrost erfasst wird dann wirst du von unsichtbaren Wesen verfolgt. So dachte ich früher. Doch durch deine Erzählung ist mir vieles klarer geworden. Auf unerfindlichen Wegen geraten sie in die Rohre, die Versorgungsleitungen. Vor langer Zeit, bevor mein Vater und sogar mein Großvater geboren waren, floss ein kleiner Fluss durch diese Stadt, die jetzt tot da oben liegt. Die Bewohner der Stadt vermochten es, den Fluss zu bändigen und unter die Erde zu leiten, wo er wahrscheinlich auch heute noch fließt. Nun, wie es aussieht, hat diesmal jemand den Fluss der Toten in die Rohre verbannt. Dein Kamerad sprach fremdartige Worte, und tatsächlich war es nicht er, der sprach. Es waren die Stimmen der Toten, er hörte sie in seinem Kopf und wiederholte sie - und schließlich führten sie ihn mit sich fort.«
    Artjom starrte sein Gegenüber an. Während der Geschichte hatte er kein einziges Mal den Blick von ihm abgewandt. Über Khans Gesicht liefen undeutliche Schatten, in seinen Augen brannte ein höllisches Feuer. Offenbar war der Mann wahnsinnig. Wahrscheinlich hatten die Stimmen aus den Rohren auch ihm etwas zugeflüstert. Und obwohl Khan ihm das Leben gerettet und ihn so freundlich aufgenommen hatte, war Artjom der Gedanke, länger bei ihm zu bleiben, unheimlich. Er musste überlegen, wie er weiterkam, durch den wohl unheilvollsten aller Tunnel - von der Sucharewskaja zur Turgenewskaja. Und dann noch weiter.
    »Verzeih mir bitte diese kleine Lüge«, fügte Khan nach einer kurzen Pause hinzu. »Die Seele deines Freundes ist nicht zum Schöpfer aufgefahren, wie ich sagte, sie hat sich nicht verwandelt und ist nicht in neuer Form auferstanden. Nein, sie hat sich jenen unglücklichen Seelen in den Rohren angeschlossen.«
    Nun fiel Artjom ein, dass er zu Bourbons Leiche zurückkehren und sie zur Station schaffen wollte. Bourbon hatte gesagt, er habe hier Freunde, die Artjom zurückbringen würden, wenn ihr Marsch erfolgreich endete. Artjom musste auch an den Rucksack denken, den er noch nicht geöffnet hatte und in dem sich außer den Magazinen für Bourbons Kalaschnikow womöglich noch so manches Nützliche befand. Er zögerte, darin

Weitere Kostenlose Bücher