Metro2033
sitzen«, murmelte der MG-Schütze und richtete die Waffe auf den geduckten schwarzen Schatten. »Bleib drauf!«
Eine ohrenbetäubende Salve donnerte los, die zehnte Lampe von unten zerbarst in tausend Splitter. Lautes Kreischen ertönte.
»Sieht aus, als hätten wir ihn«, stellte der Hagere fest. »Leuchte noch mal hin ... Da liegt er. Das war's, du alte Sau.«
Noch mindestens eine Stunde lang hörte man von oben schweres, fast menschenähnliches Stöhnen. Nach einer Weile hielt es Artjom nicht mehr aus und schlug vor, dem »Besucher« einen Gnadenschuss zu verpassen, damit er sich nicht quälte. Doch als Antwort bekam er zu hören: »Wenn du willst, geh doch selber rauf. Das hier ist keine Schießbude, junger Mann, für uns zählt jede Patrone.«
Als Mark abgelöst wurde, kehrte Artjom mit ihm zum Feuer zurück. Dort zündete sich Mark eine Selbstgedrehte an und hing seinen Gedanken nach, während Artjom dem allgemeinen Gespräch lauschte. Gerade hatte ein bulliger Mann mit flacher Stirn und mächtigem Stiernacken das Wort ergriffen: »Gestern hat Ljocha von den Krishnas erzählt, die am Oktjabrskoje Pole sitzen und ins Kurtschatow-Institut wollen, um dort den Atomreaktor zu sprengen und uns alle ins Nirwana zu bringen. Aber sie kriegen's wohl einfach nicht gebacken. Da hab ich natürlich gleich daran denken müssen, was mir vor vier Jahren passiert ist, als ich noch an der Sawjolowskaja wohnte. Einmal musste ich da nämlich wegen irgendwelcher Geschäfte zur Belorusskaja. Zum Glück hatte ich damals Beziehungen an der Nowoslobodskaja, ich konnte also direkt über die Hanse gehen. Komm ich also in null Komma nichts an der Belorusskaja an, treffe meinen Partner, und wir machen unseren Deal. Ich denk mir natürlich, das muss gefeiert werden. Er sagt zu mir, sei bloß vorsichtig, Betrunkene verschwinden hier oft. Darauf ich zu ihm: Ach komm, hör doch auf, so ein Geschäft muss man doch begießen. Na ja, jedenfalls haben wir dann zu zweit eine Flasche gekillt. Das Letzte, woran ich mich noch erinnere, ist, wie er auf allen vieren herumkriecht und schreit: >Ich bin Lunochod! < Als ich aufwache, merke ich, mein lieber Mann, ich bin ja gefesselt und geknebelt, mein Schädel ist kahl rasiert, und ich liege in irgend so ner Kammer, wahrscheinlich nem ehemaligen Bullenzimmer. Was für ein Kreuz, denke ich. Nach einer halben Stunde kommen irgendwelche Typen und zerren mich am Kragen raus in den Saal. Wo ich bin, keine Ahnung, alle Bezeichnungen sind abgerissen, die Wände mit irgendwas beschmiert, der Boden voller Blut. Feuer brennen überall, fast die ganze Station ist umgegraben, und mittendrin führt eine riesige Grube mindestens zwanzig, dreißig Meter nach unten. Auf dem Boden und an der Decke sind so Sterne, mit einer Linie, ihr wisst schon, wie von einem Kind gemalt. Zuerst denk ich mir, ich werde doch nicht unter die Roten gekommen sein? Aber dann sehe ich mich um: Schaut nicht so aus. Die Typen bringen mich an den Rand der Grube, ein Seil führt nach unten, und ich soll da runterklettern. Von hinten schubsen sie noch mit ner AK-47 nach. Ich schau hin - ein Haufen Leute sind da unten mit Brecheisen und Schaufeln und machen die Grube noch tiefer. Die Erde holen sie mit einer Winde nach oben, kippen sie in kleine Waggons und fahren sie irgendwo hin. Es ist nichts zu machen - die Typen mit den Kalaschnikows sind total durchgeknallt, alle von Kopf bis Fuß tätowiert. Ich denk gleich an irgendwelche Kriminellen. Vielleicht bin ich ja in irgendeinem
Knast gelandet, und die Typen hier wollen einen Tunnel graben, um zu fliehen. Und dafür lassen sie das junge Gemüse ackern. Aber dann denk ich mir, so ein Quatsch. Was soll denn ein Knast in der Metro, schließlich gibt es doch auch keine Bullen mehr? Ich sag ihnen, ich hab Höhenangst, ich fall den anderen da unten sicher auf den Kopf, und das bringt euch gar nichts. Sie beraten sich und verdonnern mich schließlich zu ner anderen Arbeit: Ich soll die Erde, die von unten hochkommt, in die Loren kippen. Handschellen haben sie mir angelegt, die Schweine, irgendwelche Ketten hab ich an den Füßen, und damit soll ich dann arbeiten. Dabei kapier ich noch immer nicht, was das Ganze eigentlich soll. Die Arbeit war, ehrlich gesagt, ziemlich heftig. Für mich jetzt nicht so« - der Mann bewegte seine breiten Schultern - »aber da gab es einige, die schwächer waren. Sobald einer von denen schlappmachte, wurde er gleich zu den Treppen geschleift. Später bin ich da mal
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