Metro2033
rum?«
Artjom begriff, dass sie die Gefahrenzone verlassen hatten. Er gab ein Zeichen zum Halt, sank entkräftet zu Boden, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Draisine. Nach und nach kamen die anderen wieder zu sich. Der Schlussmann hatte aufgehört zu weinen, rieb sich nur noch die Schläfen und blickte verwundert um sich. Auch der Kommandeur erhob sich wieder mit dumpfem Stöhnen und begann sich sogleich über stechende Kopfschmerzen zu beschweren.
Nach einer halben Stunde fuhren sie weiter. Außer Artjom erinnerte sich niemand mehr richtig an den Vorfall.
»Weißt du, plötzlich spürte ich so eine Schwere«, sagte der Kommandeur. »In meinem Kopf verschwamm alles, und dann ... war ich weg. Mir ist das schon einmal passiert, weit weg von hier, da war Gas im Tunnel. Aber wenn das hier Gas war, hätte es doch uns alle treffen müssen ... Du sagst, da war ein geplatztes Rohr? Und daraus kam dieses Geräusch? Weißt du, Artjom, vielleicht sind wir ja auch nur taube Hohlköpfe. Du hast wahrscheinlich ein besonderes Gespür für diesen Scheiß. Da hast du Glück, mein Junge!«
Es war nicht mehr weit bis zur Rischskaja, in der Ferne flackerte bereits der Widerschein des Grenzfeuers auf. Der Kommandeur drosselte das Tempo und gab mit der Lampe das vereinbarte Zeichen. Am Wachposten ließ man sie schnell und ohne Komplikationen durch, und sie fuhren in die Station ein.
Die Rischskaja war in einem weitaus besseren Zustand als die Alexejewskaja. Vor langer Zeit hatte sich am Ausgang der Station ein großer Markt befunden, und so waren unter denen, die sich damals hier in die Metro gerettet hatten, etliche Händler gewesen, Menschen mit Unternehmergeist. Auch die Nähe zum Prospekt Mira und somit zur Hanse und den wichtigsten Handelswegen förderte den Wohlstand der Station. Beleuchtet wurde sie, wie die WDNCh, von elektrischen Notlampen. Die Patrouillen trugen alte, abgetragene Tarnkleidung, die jedoch eindrucksvoller aussah als die bemalten Wattejacken der Alexejewskaja.
Die Gäste wurden in ein eigenes Zelt einquartiert. An eine baldige Rückkehr war nun nicht zu denken - es war unklar, was für eine Gefahr dort im Tunnel lauerte und wie man sie bekämpfen sollte. Die Administration der Station zog sich mit dem Kommandeur der WDAO-Gruppe zur Beratung zurück, so dass die anderen etwas Zeit zur freien Verfügung hatten. Artjom, mit den Nerven am Ende, plumpste sofort vornüber auf seine Liege. Schlafen konnte er nicht, doch war er völlig entkräftet. In ein paar Stunden war für die Gäste ein feierliches Abendessen geplant, dem vielsagenden Augenzwinkern und Flüstern der Gastgeber nach zu urteilen, konnte man sogar auf Fleisch hoffen. Einstweilen blieb ihnen jedoch nichts anderes übrig, als sich auszuruhen und möglichst an nichts zu denken.
Hinter der Zeltwand wurde es lauter. Neugierig sah Artjom nach draußen. Das Festmahl würde in der Mitte des Saales stattfinden, wo das Hauptfeuer brannte. Einige Menschen säuberten den Boden und legten Zeltplanen aus; nicht weit entfernt, auf den Gleisen, wurde ein geschlachtetes Schwein zerlegt; und jemand schnitt mit einer Zange kurze Stücke von einer Drahtrolle ab - es würde also Schaschlik geben. Die Wände hier waren ungewöhnlich: nicht aus Marmor wie an der WDNCh oder der Alexejewskaja, sondern gelb und rot gefliest. Dieser ehemals wohl fröhliche Eindruck wurde allerdings getrübt durch eine dicke Schicht aus Ruß und Fett, die inzwischen die Fliesen und den Deckenputz überzog. Trotzdem hatte die Station etwas von ihrem anheimelnden Charakter bewahrt. Und das Wichtigste: Auf dem anderen Gleis befand sich, halb im Tunnel verborgen, ein echter Zug, wenn auch die Fenster herausgeschlagen waren und die Türen offen standen.
Züge gab es keineswegs auf jeder Strecke oder an jeder Station. Im Laufe von zwei Jahrzehnten waren viele - besonders diejenigen, die in den Tunneln steckengeblieben und daher als Behausung ungeeignet waren - in ihre Teile zerlegt und diese dann fortgeschafft worden, denn Räder, Scheiben oder Polster wurden überall gebraucht, für die unterschiedlichsten Zwecke. Artjoms Stiefvater hatte erzählt, dass in der Hanse eines der Gleise eigens von Zügen befreit worden war, um den Güterund Passagierdraisinen freie Fahrt zwischen den Haltestellen zu ermöglichen; ebenso war man Gerüchten zufolge auf der Roten Linie vorgegangen.
Jetzt versammelten sich allmählich die Bewohner der Station, auch der verschlafene Schenja verließ das Zelt. Nach
Weitere Kostenlose Bücher