Metropolis brennt
Minuten nur geträumt – er hatte ganz Ähnliches ja tatsächlich schon hunderte Male in seinen Visionen erlebt.
Aus Nirenes Gesicht war der Ausdruck kindlicher Begeisterung gewichen und hatte kühler Geschäftsmäßigkeit Platz gemacht.
Gordell befaßte sich erneut mit dem Plan.
Er zeigte die Planeten mit ihren Monden und den Raumkolonien der Erde in unrealistischen, aber anschaulichen Größenverhältnissen und Entfernungen.
Nirene wies auf eine Stelle jenseits der Jupiterbahn. Dort war eine Reihe winziger Körper zu sehen, die wie Perlen auf einer Schnur innerhalb eines begrenzten Sektors aufgereiht waren.
Gordell beugte sich über die Abbildung und sah an den kugelförmigen Objekten winzige Auswüchse wie Stutzen oder Stacheln.
„Das sind die Angreifer“, sagte Nirene, „oder besser die Ausgangsbasen der Bomben und Strahlen.“
„Sind es – Stationen?“ fragte Gordell, „ich wußte nicht, daß so weit draußen …“
„Es sind Kanonen, wenn du so willst. Sie werden von der Erde aus abgefeuert.“
„Also – nicht von den Kolonien?“ fragte er ungläubig.
„Die Patrioten befehlen den Beschuß – Benin, Hollister und Konsorten.“
„Warst du deshalb so sicher, daß die Bomben keinen Schaden auf der Erde anrichten?“
„Ja. Sie wählen die Ziele genau aus. Es ist ihre Absicht, größtmögliche Furcht und Verwirrung mit geringem Schaden zu erreichen.“
„Und welchen Sinn sollte ein derartiges Vorgehen haben?“
„Sie wollen, daß die Menschen auf Terra die Kolonisten für die Aggressoren halten – wie sie es ja auch tatsächlich tun. Sie wünschen sich einen Vorwand, die Raumstädte auszulöschen, ohne daß sie deswegen gerügt werden. Sie haben eine Menge investiert an Bestechung, Irreführung und Werbung. Es ist ganz einfach so, daß ein paar alte Männer Appetit darauf haben, zu verdienen, zu morden und auch noch dafür gelobt zu werden.“
„Ich verstehe nicht … Ich kann keinen Sinn darin sehen.“
„Das ist … möglich. Es zeigt, daß du derjenige bist, für den ich dich halte. Aber du darfst nicht von dem ausgehen, was du denkst und tust. Es geht bei diesem Spiel – wie immer – um die Bereicherung weniger auf Kosten der Mehrheit. Die Kolonien waren von Anfang an kein menschenfreundliches Projekt; sie dienten dazu, ihre Hersteller reich zu machen und ihre Macht bis an die Grenzen des Sonnensystems auszuweiten – und später wohl darüber hinaus.“
„Hast du das schon immer gewußt?“
„Nein – anfangs sah es auch für mich so aus, als wären die ExÖko und der Service daran interessiert, etwas zur Lösung der Probleme Überbevölkerung und Rohstoffmangel zu tun. Alle haben das geglaubt, tun es noch, weil die Leute es verstanden, völlig andere Töne anzuschlagen als ihre Vorgänger, die Konzerne und die von ihnen abhängigen Politiker.
-Aber die Musik war dieselbe geblieben. Das wurde dem kundigen Beobachter bald deutlich – als nämlich die Kolonisten anfingen, sich nicht ganz erwartungsgemäß zu verhalten. Indem sich kritische Töne in ihre Dankbarkeit mischten, wurden sie – schlicht ausgedrückt – zu einem Problem des Managements der ExÖko und zu einem Sicherheitsproblem für den Homöostatischen Service.“
„Was hätten sie denn tun sollen, um sich das Wohlwollen ihrer Gönner zu erhalten?“
„Ihnen die Füße küssen. Statt dessen haben sie – lange vor dem geplanten Termin – ihre Schulden zurückgezahlt und sofort im Anschluß daran Gewinne gemacht, die sie benutzten, um ihre Unabhängigkeit weiter auszubauen.“
Gordell schwieg. Er versuchte, die ungeheuerlichen Anschuldigungen, die Nirene so sachlich und
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