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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Ja­cken­kra­gen hoch und paß­te sich dem Schrit­tem­po des Vor­läu­fers an. Dann fraß sich die Käl­te durch sei­ne Ja­cke und mach­te ihn frös­teln. Er ging noch schnel­ler, wich grü­nen Punk­ten aus, über­hol­te ro­te.
    Und plötz­lich dach­te er: Wer sind sie? Je­ne, die man nicht se­hen kann und die doch da sind wie du selbst. Wer sind sie, die hier in der Nacht her­um­lau­fen, und warum und wo­zu? Und warum du? Wer bist du?
    Die letz­te Fra­ge, die ihm sein Un­ter­be­wußt­sein stell­te, ver­setz­te ihn in Pa­nik. Wer bin ich? Wer bin ich? Au­to­ma­tisch fühl­te er nach Zi­ga­ret­ten, fand ei­ne Pa­ckung in der Tie­fe der Ja­ck­en­ta­sche und steck­te sich has­tig ei­ne an. Nach dem ers­ten Zug kehr­te die Klar­heit der Ge­dan­ken zu­rück, und fast hät­te er laut ge­lacht über sei­ne Angst.
     
    „He, du, komm doch mal her!“
    Han­sen schreck­te auf, sah zwei Bei­ne sche­men­haft in ei­nem Ein­gang ste­hen. Schö­ne Bei­ne, Frau­en­bei­ne.
    „Ja bit­te?“
    „Hast du Feu­er?“
    „Na­tür­lich.“
    Die Frau hat­te of­fen­sicht­lich ei­ne eher üp­pi­ge Ge­stalt und schi­en un­ge­wöhn­lich leicht be­klei­det zu sein. Sie trug kei­nen Leucht­punkt­gür­tel und roch nach bil­li­gem Par­füm. Im Licht des Feu­er­zeu­ges er­kann­te Han­sen ein über­ra­schend jun­ges Ge­sicht, ein­ge­rahmt von wir­rem ro­tem Haar. Die was­ser­blau­en, ver­schwom­me­nen Au­gen, die ihn ent­rückt an­sa­hen, lie­ßen in Han­sen die Ver­mu­tung auf­kom­men, hier kön­ne Rausch­gift im Spiel sein.
    Sie beug­te sich vor, be­rühr­te ihn auf­dring­lich mit ih­rem Bu­sen. Dann at­me­te sie tief durch und blies den Rauch in die Nacht. „Fünf­zig“, sag­te sie, „weil es so kalt ist.“
    „Nein.“
    „Vier­zig!“
    „Es geht nicht um Geld.“
    Sie schwieg einen Mo­ment. Sie um­klam­mer­te sein Hand­ge­lenk, hielt es ei­sern fest, ließ es wie­der los. „Oh, der Klei­ne will Lie­be, rich­ti­ge Lie­be!“
    Ab­wei­send lehn­te sie sich zu­rück in den Haus­ein­gang.
    Han­sen blieb ste­hen, un­schlüs­sig.
    Dann frag­te sie un­ver­mit­telt: „Ob es mor­gen wie­der Blut reg­net?“ und: „Warum gehst du nicht?“
    „Es ist kein Blut“, sag­te Han­sen. „Säu­re oder so was.“
    „Blut“, be­harr­te sie ei­gen­sin­nig. „Es tropft von den La­ter­nen, den Fens­ter­vor­sprün­gen, läuft über den Geh­weg, sam­melt sich im Rinn­stein. Ver­mischt sich mit Dreck, ver­si­ckert. Ich se­he es oft, wenn ich hier ste­he.“
    „Es wird je­des­mal vor­her Alarm ge­ge­ben“, sag­te Han­sen. „Es kann nichts pas­sie­ren.“
    „Es gibt kei­ne Vö­gel mehr in der Stadt!“ Sie sag­te es so, als sei es ein Be­weis für Blut.
    Han­sen woll­te ge­hen. Wie­der um­klam­mer­te sie sein Hand­ge­lenk. „Wo­hin gehst du?“
    „In ei­ne an­de­re Stadt.“
    „Blut“, sag­te sie, „in den Städ­ten ist nur Blut.“
    „Es sind im­mer nur Städ­te, in die man ge­hen kann.“
    Sie um­klam­mer­te sein Hand­ge­lenk noch im­mer, ei­sern.
    „Drei­ßig!“ Es war fast ei­ne Bit­te.
    Han­sen riß sich los, mur­mel­te ent­schul­di­gend: „Ich muß jetzt weg, der Zug war­tet.“ Er sprang auf die Stra­ße, lief da­von.
    „Blut!“ schrie sie hin­ter­her. „In den Städ­ten ist nur Blut!“
    Han­sen be­schleu­nig­te sein Tem­po noch, er woll­te weg von die­ser über­dreh­ten Frau. Er fühl­te sich erst wie­der wohl und si­cher, als er sich in die An­ony­mi­tät des Licht­punkt­ge­wirrs ein­rei­hen konn­te, das ihn auf­sog und mit sich fort­zog. Hier wur­den sei­ne Schrit­te wie­der ru­hi­ger, und nach ei­ner Wei­le zo­gen ihn auch die Licht­punk­te nicht mehr in den ei­gen­tüm­li­chen Sog des Mit­ma­chen­müs­sens. Er fühl­te sich al­lein in der Mas­se und doch als Per­son. Er fühl­te sich, und das gab ihm Selbst­ver­trau­en.
    Und Blut in den Städ­ten? Wahnide­en ei­ner Süch­ti­gen, nichts wei­ter.
    Plötz­lich ent­stand ir­gend­wo Hek­tik und Be­we­gung. Vorn be­gan­nen Men­schen zu lau­fen. Licht­punk­te wipp­ten schnell auf und nie­der, grü­ne Punk­te wur­den plötz­lich rot, ein ro­ter Strom eil­te auf einen un­be­kann­ten Punkt zu.
    Je­mand stieß Han­sen an und ent­schul­dig­te sich nicht ein­mal.

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