Metropolis brennt
einen Idioten, Van Damm, sie rümpften die Nase, als sie von unserer Vergangenheit hörten. Sie lachten sich schief, als ich ihnen erzählte, daß wir für und nicht gegen etwas gekämpft hatten. Sie verstanden kein Wort.
Sie gaben den Ledermännern sogar noch den Tip, wo sie mich schnappen konnten – und das taten sie nur, um mich nach der Festnahme mit strahlendem Zahnpastalächeln auf offener Straße aus der zwölfköpfigen Eskorte herauszuschießen und mir zu sagen, ich solle jetzt besser verschwinden; ich würde ohnehin nur ihre Kreise stören.
Ich habe also jetzt endgültig aufgegeben, Van Damm. Es gibt nichts mehr zu retten. Ich bin jetzt fünfzig; fast so alt wie du, und ich habe nur noch ein Auge und ein steifes Bein. Als ich sie verließ, Van Damm, schnappte ich jedoch einen bekannten Namen auf. Es war deiner. Sie sprachen ihn ziemlich ehrfurchtsvoll aus, muß ich sagen – wie den Namen eines Helden, dem man viel verdankt. Ich kriegte dann auch raus, daß du immer noch lebst und aktiv bist. Ich erfuhr, daß du diese jungen Leute mit den effektivsten Waffen versorgst.
Ich muß schon sagen, Van Damm, das hat mich eigentlich nicht gewundert. Denn schon damals, als du noch bei unserer alten Truppe warst, warst du dem System gegenüber stets der beste Ränkeschmied. Du hast auch immer die größten Waffenlager ausfindig gemacht.
Dennoch, Van Damm, muß ich dir sagen, daß ich damals noch weit entfernt davon war, mißtrauisch zu werden. Erst als ich dich vom Glockenturm der Alten Hauptkirche unter mir in einem Panzerwagen vorbeifahren und fröhlich mit einem Ledermann plauschen sah, fiel bei mir der Groschen. Hast du uns damals nicht auch die Gasmasken besorgt? Stammte der mißglückte Plan, der uns schließlich in die verräucherte Kaschemme hatte fliehen lassen, nicht auch von dir?
Weißt du noch, wie es war, als sie hinter uns herjagten, Van Damm? Wie sie uns hetzten und wir durch das Wupperbecken krochen? Weißt du noch, wie ich dich kilometerweit über den schlammigen Boden auf dem Rücken trug?
Du hast dir eine neue Generation herangezogen, alter Junge, und deine Ledermänner werden es auch diesmal sicher schaffen, sie zu dem Radau anzustiften, den ihr braucht, um der Bevölkerung besser verständlich zu machen, daß sie besser daran tut, auf euer Kommando zu hören. Denn das müßt ihr, wenn ihr den Zufriedenen zeigen wollt, daß man sich auf euch verlassen kann.
Es ist ein uralter Trick, Van Damm, ich weiß. Und ich frage mich, wieso wir so dumm gewesen waren, darauf hereinzufallen. Weißt du noch … Ach, Van Damm, lassen wir das. Ich gehe wieder zu den Zigeunern zurück. Ich habe die Schnauze gestrichen voll. Ich weiß nur zu gut, daß du dich an nichts mehr erinnerst, daß du den Schnee von gestern aus deinen Gehirnschubladen geräumt und dich neuen (und doch so alten) Zielen gewidmet hast.
Aber ich, alter Junge, ich weiß das alles noch.
Deswegen sitze ich auch jetzt hier im Glockenturm der Alten Hauptkirche und warte darauf, daß du mal wieder in deinem Panzerwagen vorbeikommst.
Meine Knarre habe ich nämlich noch.
Thomas Ziegler
Tief unten im Tal
Um so etwas zu erleben, muß man schon hinabsteigen zu den Burschen tief unten im Tal. Dort hausen sie in leeren Bierfässern und Bretterverschlägen und scheren sich nicht einen Deut darum, daß ausgerechnet in dieser Nacht wieder ein peinlicher Umweltskandal aufgedeckt wurde – Pestizide im Orangenkonzentrat. Ein Mixdrink aus Jaffasaft und Tetrachlorazoxybenzol für die schneidigen jungen Männer fern auf Io.
Auch wenn die Fähren aus Treibstoffmangel nicht mehr von den Raumhäfen abheben und der Nachschubstrom zum Jupitermond versickerte, ist dies ein glattes Attentat auf die Weltraumforschung.
„Da trink ich doch nur noch schwarzgebrannten Schnaps“, versichert Tod, rekelt sich in der krummen Wölbung seines tapezierten Fasses und sieht grimassierend die neuesten Nachrichten im Batterievideo. Präsentiert werden sie in kollegialer Zusammenarbeit von Gottfried Muhn und Stefan Sebastian Winter, den beliebten Modegecken vom Kanal 6, die stets ein entzückendes Bonmot zur Hand haben. Selbst die Bilder vom Biochemischen Krieg am Persischen Golf wurden in mancher Hinsicht durch die gewitzte Kommentierung entschärft, und nicht ohne Grund bekamen Muhn und Winter letztes Jahr den Bundesfilmpreis für menschlichen Journalismus verliehen.
Doch auch das kümmert Tod nicht die Bohne. Er interessiert sich allein für den vielversprechenden
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