Metropolis brennt
und deutlich. Tod, Gorch und Pike hören seinem Gezeter eine Weile zu, bis Pike schließlich ihr rostfreies Brotmesser zur Hand nimmt und eine bezeichnende Geste macht. Der sanfte Wink wird verstanden, und Zelter entfernt sich leise schimpfend. Mit hochgezogenen Schultern und die Hände in den Taschen schlendert er hinüber zur Ruine des Versicherungsgebäudes, zu den Frauen, die breite Fleischstreifen von dem Hundebraten abschneiden und sich über die Bewohner des nahen Müllcontainers lustig machen, aus dem noch immer Stöhnen und Ächzen dringt.
Die lärmende Musik aus Zelters Fahrerhaus reißt unvermittelt ab. Radio Eisfreies Grönland verbreitet die neuesten Nachrichten über die feinen Pinkel, die hinter ihrer elektronischen Mauer hocken, entlang der Berghänge über dem Tal residieren und das Treiben der zwielichtigen Prols in den Trümmerstraßen mit leisem Grausen verfolgen. Von den Türmen aus, von denen manchmal in der Nacht erstickte Schreie erklingen.
Mit halbem Ohr hört Pike zu, welche neuen Teufeleien die Pinkel ausgebrütet haben, und sieht im Video, daß der Förster und sein großbusiges Maderl im Dirndlkleid dem Happy-End zusteuern.
„Den Förster “, sagt Tod irritiert, „hat’s diese Woche doch schon fünfmal gegeben. Himmel, neunzig Prozent dieses miesen Programms besteht aus Wiederholungen. Wenn ich Gebührenzahler wäre, würde ich mich glatt schwarz ärgern.“
Gorch schluckt zwei Kubikzentimeter Schnaps hinunter. „So kannst du dich als Schwarzseher immerhin gebührend freuen.“
Drüben am Versicherungsgebäude entwickelt sich zwischen Zelter und den Frauen ein heftiger Streit. Das Stöhnen aus dem Müllcontainer, in dem sich eine aus der Lüneburger Heide vertriebene Landkommune breitmacht, hat nachgelassen. Pike wird alles so langsam zu bunt. Als sich Tod und Gorch über die fragwürdigen Vorzüge von Mutantenhühnern zu unterhalten beginnen und Tod schließlich verdrossen das Standardwerk zu diesem Thema – Hahns Mutation und Hühnerhaltung – aus seinem Bierfaß hervorkramt, streift Pike ihre Sandaletten über und verschwindet vom Wupperufer.
In der Ferne zieht sich ein dünnes graues Band über den Horizont. Bald wird es hell werden. Selbst hier tief unten im Tal.
Temperatur und Luftdruck am Nordpol von Io sind unverändert. Eine Wolke aus Schwefeldioxyd hängt hoch über dem Kaiser-Wilhelm-Vulkan. Sie sieht aus wie ein Regenschirm. In einer Mulde am Fuß des Kraters hat sich ein See aus schwefliger Lava gebildet. Das Wetter ist gut. Weder mit Wind noch mit Regen oder Hagel ist zu rechnen. Ein wohltuend beständiges Klima. Allerdings ohne Nutzen für die abgeschnittenen Pioniere von der Raumfahrtbehörde.
Im Ostteil der Basis Prinz von Humbuck findet unter dem Beifall der Radioastronomen und des berauschten Wartungspersonals eine Versteigerung statt. Die pornografische Mikrofilmsammlung von Kommandeur Roselsky kommt unter den Hammer. Es ertönen lautes Hallo und genießerische Schnalzlaute.
„Im Grunde ist alles nur eine Folge des permanenten sexuellen Notstands“, spricht der Geologe seinen Situationsbericht in das Mikrofon. „Ich erwarte nicht, daß ihr Büroärsche überhaupt versteht, was ich meine, aber wir leiden hier unter einer dramatischen Steigerung der Sexualdelikte. Die Unzucht hat sich als größte Bedrohung des Astronautenkorps seit der Nieder mit der Raumfahrt -Kampagne erwiesen. Mich schaudert, wenn ich daran denke, welche Argumente man diesen Kreisen in die Hand geben könnte, wenn man sie offen und ausführlich über unsere desolate Situation informiert. Dies ist keine Drohung, ihr Bastarde. Wir sind verzweifelt, aber loyal. Das könnt ihr den elenden Bastarden im Eifel-Bunker ausrichten. Die Russen auf Ganymed haben uns eine Hundertlitersonde Wodka angeboten. Wir lehnten ab. Wir vertrauen darauf, daß in den nächsten Tagen eine Versorgungssonde landet. Es fehlt nicht nur an Whisky. Alles ist knapp. Vor allem brauchen wir Frauen. Vor den Male -Entspannern im Waschsaal stehen täglich lange Schlangen. Trotzdem wurde der Beimischung von Barbituraten in die rationierten Nahrungsmittel von allen Seiten energisch widersprochen. Das belastet selbstverständlich auch die Fortschritte der Forschungsarbeit. Die chemische Abteilung hat sich seit gestern der Produktion von chronopathischen Halluzinogenen verschrieben. Der Stellvertretende Kommandeur ist ins Eozoikum versetzt worden und hält sich für ein Urtierchen. Kein Aas weiß, wie lange die Droge
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