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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klecha Walter Hensel
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zumal sie nicht stetig verlief, sondern eher sprunghaft in den skizzierten Stufen. Bemerkenswert ist dabei zunächst, dass die Piraten eine im wahrsten Sinne des Wortes junge Partei sind. Das Durchschnittsalter wurde einige Zeit lang mit 30 Jahren angegeben, hat sich jedoch im Zuge des starken Wachstums in der ersten Jahreshälfte 2012 deutlich erhöht.Trotzdem liegen die Piraten immer noch unter den Werten der etablierten Parteien, die – einschließlich der Grünen – sichtbar ergraut sind. Das Bild der Piraten bestimmen hingegen Mitglieder, die ihre Jugendphase Ende der neunziger und während der nuller Jahre verbracht haben.
    Dass diese Gruppe überhaupt politisch aktiv geworden ist, erscheint im Lichte der jüngeren Ergebnisse der Jugendforschung durchaus überraschend. Immerhin hatten etliche Studien die 15- bis 35-Jährigen als politisch indifferente »pragmatische Generation« ausgemacht (Albert 2010). Diese Annahme bezog sich allerdings vor allem auf die traditionellen Formen der politischen Partizipation und spiegelt sich in einer entschiedenen Abneigung gegenüber Organisationen (insbesondere Parteien) und einer wachsenden Wahlenthaltung wider (Palfrey/Gasser 2008, S. 259). Politisch inaktiv waren diese Jugendlichen genau genommen jedoch nie, ihr Partizipationsverhalten fällt keineswegs geringer aus als das älterer Kohorten. Sie beteiligen sich rege an Unterschriftensammlungen, reichen Petitionen ein, machen bei Demonstrationen mit und treten sogar Verbänden und Vereinigungen bei. Allein: Sie halten all das nicht für Politik. Politik ist schließlich das, was Politiker beruflich machen.
    Gleichzeitig arrangiert man sich mit den Erschwernissen im schulischen Bereich, nimmt die Engpässe in der Berufsbildung hin oder erträgt klaglos die Experimentierfreude der Hochschulen bei der Umsetzung der Bologna-Reform. Man will sich im Berufsleben durchsetzen und vertraut darauf, dass man sich auch durchsetzen wird. Man ist geduldig, erträgt all die Anforderungen in Sachen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Kontinuierliches politisches Handeln in den klassischen Bahnen ist für diese Menschen jedenfalls keine Option.
    Man hat gelernt, dass Sachverstand, Qualifikation, Eigenmotivation und Kommunikationsvermögen vorausgesetzt werden, und hofft, dass das später auch Anerkennung finden wird. In dem Augenblick aber, in dem die daraus resultierenden Erwartungen infrage gestellt werden, wird dies nicht geduldet. Dieser Impuls durchzieht gegenwärtig eine ganze Reihe politischer Initiativenund motiviert in vielen Fällen die Entscheidung, sich den Piraten anzuschließen. Dies gilt zumindest für die zahlreichen Mitglieder der zweiten Generation. In jüngster Zeit drängen zusätzlich verstärkt Personen in die Partei, die dem Reiz des Neuen und des Erfolgs erliegen. Damit geht einerseits eine lebensweltliche Erweiterung der Parteibasis einher, andererseits aber auch die Gefahr der inhaltlichen und organisatorischen Zerfaserung. Als Sammelbecken für zum Teil auch kuriose Anliegen könnten die Piraten ihre ohnehin schon zurückgedrängten Kernthemen aus den Augen verlieren und mittelfristig ihre programmatische wie kulturelle Identität verspielen. Zumal unter den Neu-Piraten etliche sind, die sich angesichts des schnellen Erfolgs der Partei Karrierechancen ausrechnen. Das ist keineswegs ungewöhnlich – auch die Grünen erlebten einen Zustrom von Neumitgliedern, als 1983 mit der vorgezogenen Bundestagswahl ein größerer Erfolg winkte. Der bekannteste Neuzugang hieß damals Joschka Fischer.
    Was bei den Grünen damals ebenfalls eine Rolle spielte, war der Umstand, dass viele Personen beitraten, die beruflich in einer Sackgasse steckten. Das gilt nicht nur für vergleichsweise verkrachte Existenzen wie den jungen Joschka Fischer. Nicht wenige in den fünfziger Jahren geborene Menschen waren Anfang der Achtziger hochqualifiziert, fanden aber keine Beschäftigung. Am Beginn ihres Studiums hatten sie noch darauf vertraut, dass die Bildungsexpansion weitergehen würde wie zwischen 1965 und 1975, doch dann folgten die ersten Haushaltskürzungen als Reaktion auf die Ölpreisschocks. Mithin wurde es nichts mit der erhofften Lehrerlaufbahn oder der Karriere in den Geisteswissenschaften. Für diese beruflich blockierten Hochschulabsolventen boten die Grünen attraktive Chancen: Die Fraktionen in den Parlamenten benötigten schließlich nicht nur Abgeordnete, sondern obendrein zahlreiche Mitarbeiter.
    Ähnlich verhält

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