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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klecha Walter Hensel
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sich unbefangen politischen Vorstellungen, eben ganz so, wie es im postideologischen Zeitalter üblich ist. Dabei bleiben die Digital Natives in ihrem politischen Engagement im Internet weitgehend unter sich. Spricht durchschnittlich nur jeder sechste Deutsche online über Politik, so macht das immerhin jeder zweite in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen (Emmer/Wolling 2010, S. 44). Die Digital Natives müssen folglich in ihrem Umfeld keine Rücksicht auf tradierte Inhalte oder Formen des politischen Betriebs nehmen.
    Sie sind dabei unvorbelastet und ignorant zugleich. Programmatisch sind sie zwar offen für allerlei Ideen, sie übergehen aufgrund ihrer starken Orientierung am Prinzip der Offenheit aber oftmals bereits getroffene programmatische Festlegungen oder thematische Schwerpunktsetzungen. Eine ideengeschichtliche, intellektuell anspruchsvolle Herleitung von politischen Programmen haben sie größtenteils nicht im Sinn, wohl allerdings den Wunsch, möglichst schnell zu vielen Fragen der Zeit irgendwie kreative Antworten zu liefern.
    Der rege Zulauf an Digital Natives war jedenfalls entscheidend dafür, dass plötzlich Themenkomplexe wie Geschlechter- und Familienpolitik, Umwelt-, Sozial- und Drogenpolitik aufgegriffen wurden. Man kann zwar nicht allein aus dem Beitrittsdatum ableiten, ob jemand eher für die Konzentration auf die Kernthemen der Netzpolitik oder für ein möglichst umfassendes Vollprogramm ist, es zeichnet sich jedoch ab, dass netzpolitische Fragen im engeren Sinn mittlerweile ein wenig in den Hintergrund geraten sind. Dies ruft wiederum den Widerspruch der Gründergeneration hervor. Insbesondere die Gruppe 42, zu der auch der frühere Bundesvorsitzende Jens Seipenbusch gehört, machte sich jüngst stark für eine Rückkehr zu den traditionellen Themen.
    Obschon die Bemühungen um größere programmatische Diversität erst in den letzten eineinhalb Jahren zugenommen haben, waren die Piraten im Endeffekt allerdings nie wirklich eine monothematisch verengte Partei. Ausgehend von netzkulturellen Ausdrucksformen haben sie für verschiedene Themenbereiche programmatische Bausteine entwickelt. Klar ist aber zugleich, dass die Partei bis heute kein vollwertiges Programm besitzt, wie man es von den meisten etablierten Parteien kennt. Nach wie vor haben die Piraten zu vielen konventionellen Politikfeldern keinerlei Positionen zu bieten. Forderungen in den Bereichen Wirtschafts-, Finanz- oder Außenpolitik zum Beispiel fehlen oder sind wenig profiliert. Wahlprogramme sind oftmals eine beliebige Aneinanderreihung verschiedenster Themenblöcke, wobei gerne bestehende Module anderer Landesverbände weiterverwendet werden.
    Dabei konkurrieren marktliberale mit eher sozialliberalen Forderungen und verschiedenen Spielarten libertärer Positionen. Gemeinsam ist diesen aber die Forderung nach einem freien Zugang zu Ressourcen, die entweder marktliberal, im Sinne einer sozialstaatlich organisierten Chancengerechtigkeit oder mit Rekurs auf egalitäre Gerechtigkeitsvorstellungen begründet wird. Die Idee des freien Zugangs ist insofern vielleicht das Kernstück der programmatischen Erzählung der Piraten. Das durch den Staat abgesicherte Prinzip des Open Access ist demnach die Voraussetzung sowohl für einen als positiv empfundenen marktvermittelten gesellschaftlichen Fortschritt als auch für die politische Verwirklichung gesellschaftlicher Gerechtigkeit mit schwerer Gewichtung individueller Freiheit. Sonderlich stringent und logisch argumentieren die Piraten dabei freilich nicht.
    Das ideologische Fundament der Partei ist jedenfalls keineswegs gefestigt, vielmehr sind die Begründungszusammenhänge nicht selten widersprüchlich, wenn nicht gar falsch. So betrachten nicht wenige Piraten die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen als sozialliberalen Markenkern. Diese Forderung ist zwar in vielen politischen Denkrichtungen zu finden, sozialliberal ist dieser Ansatz aber wohl nicht zu nennen. Die klassische sozialliberale Denkschule setzt ja gerade darauf, die individuelle, auf Erwerbsarbeit gründende Leistungsbereitschaft zu fördern. Aus der Kritik an diesem Ansatz (Offe 2007) erwächst ja überhaupt erst die Forderung nach einem Grundeinkommen.
3.3 Wer sind die Mitglieder?
    Das Mitgliederwachstum der Piraten wird immer wieder als »dynamisch« beschrieben. Wenngleich die Grünen in den Anfangsjahren sogar deutlich schneller wuchsen, war die Entwicklung bei den Piraten nicht minder beachtlich,

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