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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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immer das unheimliche Gefühl, daß hinter diesen Augen, in diesem Schädel ein anderes fremdes Wesen verborgen lag, das mich beobachtete, maß und studierte und stets etwas anderes sagte, als es meinte.
    Als ich hinunterging, tat ich es mit dem sonderbaren Gefühl, mit der einen Hälfte eines Doppelwesens gesprochen zu haben. Die andere Hälfte hatte sich in keiner Weise geäußert, und dennoch fühlte ich, daß sie da war und sich gewandt hinter der Larve von Fleisch in Worten verbarg.
    Aber ich konnte immer noch nicht schlafen. »Es muß die Wärme des Bettes sein, die meine Hitzepickel verschlimmert«, dachte ich. Das furchtbare Jucken hörte immer auf, wenn ich meine Leselampe wieder anzündete. Kaum aber hatte ich die Lampe wieder ausgelöscht und die Augen geschlossen, so wurde ich auch schon wieder gequält und gestört.
    Auf diese Weise verrann Stunde um Stunde, in denen ich mich – abgesehen von den vergeblichen Versuchen einzuschlafen – mühselig durch ein Buch hindurchackerte.
    Über meinem Kopf hörte ich das ewige Auf und Ab des Untersteuermanns. Um vier Uhr wurde die Wache abgelöst, und jetzt erkannte ich den schleppenden Gang Pikes. Eine halbe Stunde später begann die Elsinore zu krängen. Ich konnte hören, wie Pike Befehle fauchte, und bisweilen vernahm ich das Trappeln und Schleifen vieler Füße über meinem Kopf. Die Elsinore krängte immer mehr nach meiner Seite, bis ich das Wasser durch die Lichtpforte sehen konnte; dann richtete sie sich wieder auf und rauschte mit solcher Schnelligkeit durch das Wasser, daß ich durch das dicke Glas den Schaum zischen und singen hörte. Der Steward brachte mir den Kaffee, und ich las weiter, bis es hell wurde und Wada mein Frühstück brachte. Er klagte ebenfalls darüber, daß er nicht schlafen könne. Er war in einer der Kajüten mittschiffs zusammen mit Nancy untergebracht worden. Wada beschrieb ihre Wohnung. Der winzige Raum, der aus Stahlwänden bestand, war ohne Luftzufuhr, sobald man die Tür schloß. Und Nancy bestand darauf, die Stahltür geschlossen zu halten. Darum war Wada, der in der oberen Koje schlief, fast erstickt. Er erzählte, die Luft sei so schlecht geworden, daß die Flamme der Lampe, gleichgültig, wie hoch er sie auch schraubte, nur trübe geschwelt habe und schließlich erstickt sei. Nancy aber hätte herrlich sich durch alles geschnarcht, während er nicht imstande war, auch nur ein Auge zu schließen.
    »Er ist nicht sauber«, schloß Wada. »Er ist einfach ein Schwein. Ich will nie mehr dort schlafen.«
    Als ich auf die Kampanje kam, sah ich, daß die Elsinore mit vielen beschlagenen Segeln durch eine grobe See unter bedecktem Himmel dahinrauschte. Und ich fand Herrn Mellaire ebenso auf und ab gehend, wie ich ihn vor Stunden verlassen hatte. Es kostete mich direkt eine Anstrengung, mir vorzustellen, daß er ja die Wache zwischen vier und acht freigehabt hatte. Aber als ob er dies wußte, sagte er im selben Augenblick, daß er von vier bis halb sieben geschlafen habe.
    »Das ist es nämlich, Herr Pathurst, ich schlafe heute noch wie ein Kind, wie ein ganz kleines Kind… was ein gutes Gewissen bedeutet, mein Herr, ja, ein gutes Gewissen.«
    Während er solche Plattheiten äußerte, wurde ich mir unbehaglich bewußt, daß das fremde Ding in seinem Schädel mich beobachtete, mich studierte…
    In der Kajüte saß Kapitän West und rauchte seine Zigarre. Dabei las er in der Bibel. Fräulein West erschien gar nicht, und ich freue mich, daß ich zu dem Hitzeausschlag nicht auch noch seekrank geworden war. Es war ein sehr trüber Tag. Keine Sonne. Hin und wieder Regenschauer. Und unaufhörlich schlugen Sturzseen über die Luvreling. Wenn ich durch die runden Deckfenster der Kajüte nach vorn auf das große Deck blickte, konnte ich sehen, wie die Seeleute, wenn sie heißten und halsten, von den über das Deck schlagenden Sturzseen durchnäßt wurden. Aber zwischen diesen Männern, die sich festkrallten, wo sie konnten, gingen bald Pike, bald Mellaire umher, aufrecht, ohne zu wanken, mit der Sicherheit, die nur Kraft und Autorität verleihen. Sie verloren nie das Gleichgewicht. Sie wichen weder Schaum noch Spritzern aus, gingen keiner Sturzsee aus dem Wege. Sie waren anders ernährt, waren von einem ganz anderen Geist beseelt, waren aus Stahl im Vergleich mit den Schwächlingen, die sie zur Arbeit trieben.
    Nach dem Mittagessen gab es heute leider kein Schallplattenkonzert. Diesmal hatte Pike die Plattfußwache und mußte deshalb an

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